Inhaltsverzeichnis:

Das einseitige Recht der USA auf Intervention
Eigeninteressen der USA
Die Situation in den Nachbarländern

Ecuador
Venezuela
Panama
Peru
Brasilien
Fazit

Unterwegs zum Nabel der Welt
Der Traum des Mariachi
DINO SALUZZI - NEUER TANGO -
TRIO SALUZZI - NEUER TANGO -
Das Konzert der Harmonie
RAINER SIMON - Wie ein Leben zu Ende ging
Ein peruanischer Schamane in Berlin,Gerardo Pizarro
DIE GESCHICHTE DER MARIACHIMUSIK
"Knechte des Kapitals", Ernst Diedrichs"

Peter Brückner und die Neue Linke

Anlässlich des 90. Geburtstages von Peter Brückner (verstorben 1982) hier ein
Beitrag von mir zu seinem Versuch, die Neue Linke zu
erklären:

http://www.globkult.de/geschichte/zeitgeschichte/729-peter-brueckners
-versuch-uns-und-anderen-die-neue-linke-zu-erklaeren

Peter Brückners Versuch, uns und anderen die Neue Linke zu erklären

12. 05 2012, Peter Brückner, von Christoph Jünke

Wer über Leben und Werk des Sozialpsychologen und Gesellschaftstheoretikers Peter Brückner (1922-1982) nachdenken möchte, kann dies nicht tun, ohne dabei über die Neue Linke nachzudenken, d.h. über den Versuch, beim Ausbruch aus dem herrschenden Falschen eine politisch mehrheitsfähige, linke Alternative sowohl zum sozialdemokratischen Reformismus wie zum stalinistischen Kommunismus aufzubauen. Über die Neue Linke reden heißt auch und nicht zuletzt, über die Revolte von 68 zu reden. In der Tat wird in der BRD viel und gerne über diese Revolte geredet und geforscht. Doch trotz der mittlerweile immensen Literatur zum Thema – sowohl Memoiren und Dokumentationen wie auch Sachbücher und wissenschaftliche Werke – scheint für die Revolte noch immer Hegels Diktum zu gelten, dass das, was bekannt ist noch längst nicht erkannt sein muss. Denn was war denn nun diese Revolte eigentlich? War sie, wie die meisten heute meinen, eine bloße Jugend- oder Generationenrevolte oder war sie mehr und anderes? War sie vielleicht die historische Nachgeburt veralteter Sozialismusformen oder, andere Variante, der Vorschein neuer sozialer Bewegungen, neuer antisystemischer Bewegungen gar? Anders gefragt: Hatte denn diese Revolte ihre historische Logik oder war das alles nur ein historischer Zufall? Und welche Rolle spielte in ihr jene schwer zu fassende Neue Linke, die doch heute weitgehend Geschichte ist? MEHR INFORMACION


THINK TANKS


/ gran industria europea / think tanks transatlánticos a los cuales pertenecen Papademos y particularmente Monti (FUENTE/Quelle: Roland Kulke, RLS-Büro Brüssel, in "rosalux" 1-2012):

1. Der griechische Ministerpräsident Loukas Papademos arbeitete in den USA bei der Federal Reserve Bank of Boston. Loukas Papademos war Direktor der griechischen Notenbank, als Griechenland dem Euro beitrat und ist somit für die Überbewertung der Drachme mitverantwortlich gewesen.

2. Premierminister Italiens, Mario Monti, war u.a. Rektor und später zweimal Präsident der Bocconi-Universität, einer privaten Mailänder Wirtschaftshochschule.

Von 1999 bis 2004 war Mario Monti Wettbewerbskommissar der EU. Als Wettbewerbskommissar arbeitete Monti 1999 den Vorschlag "Financial Services Action Plan" aus, an dem sich die Deregulierung des europäischen Finanzsektors orientierte.

Im Jahr 2000 verklagte die EU-Kommission auf Anraten Montis das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) wegen der WestLB, die darauf erfolgte Änderung der Geschäftspraktiken der Landesbanken führte später zum Transfer riesiger Summen aus Steuergeldern in die Rettung der Landesbanken.
Von 2005 bis 2008 war Monti Vorsitzender des Direktoriums von Bruegel. Finanziert wird dieser einflussreiche neoliberale Think Tank von europäischen Großunternehmern und Regierungen.
Zudem ist Monti Vorstandsmitglied des konservativen, einflussreichen transatlantischen Netzwerks Bilderberg Konferenz.

Auch in der Trilateralen Kommission, einem ähnlichen Netzwerk, ist er Mitglied.
Darüber hinaus war Mario Monti sechs Jahre lang Berater der mächtigen US-Investmentbank Goldman Sachs.

Die meisten Kabinettsmitglieder unter Monti haben einen Lebenslauf aus NATO, Bankenwesen oder Unternehmer-Interessengruppen.
So ist z.B. die Arbeitsministerin Elsa Fornero Mitglied im wissenschaftlichen Rat von Confindustria, Italiens größter Arbeitgeberorganisation. Der italienische Entwicklungsminister Corrado Passera, Unternehmensberater und Banker, war zuletzt Vorstandschef bei Intesa Sanpaolo, Italiens größter Privatkundenbank.

Nürtiger Zeitung

Ein musikalischer Vulkan

Das Ensemble Likan Cavour begeisterte beim Konzert für Licht der Hoffnung in der Wolfschlugener Josefskirche
WOLFSCHLUGEN. Südamerikanische Lebensfreude gepaart mit herausragendem musikalischem Können, garniert mit dem Gespür für hierzulande eher unbekannte (und dennoch mitreißende) Rhythmen jenseits aller Klischees das ergibt einen musikalischen Cocktail mit Hochgenuss. Geschüttelt hat ihn am Sonntag in der katholischen Kirche Wolfschlugen das Ensemble Likan Cavour. Und Hunderte Menschen waren davon förmlich in der Seele gerührt.


JüRGEN GERRMANN

Luis Angeles, Carlos Alberto Sardon Alka (aus Peru), Eduardo Alejandro Mylen Cavour Herrera, Eduardo Robinson del Carmen Cavour Alvarez (aus Chile) und Luis Fernando Velasquez Maya (aus Ecuador) schon die Namen allein sind Musik. Was sie dann aber mit der ganzen Batterie an Instrumenten, die im Altarraum herumstehen, anstellen, das ist zuweilen fast atemberaubend, aber immer bewundernswert.
Wer gedacht hatte, ihm würde zum Ausklang des Dreikönigstags ein Routine-Programm vorgesetzt werden, wie es tagtäglich in Hunderten deutscher Fußgängerzonen erklingt, der befand sich gewaltig auf dem Holzweg. Man absolvierte auch nicht nur eine musikalische Reise durch Südamerika, bei der man alles ein bissle und dadurch im Grunde doch gar nichts kennenlernt, nein, das begeisterte Publikum sah sich mit der Eruption eines musikalischen Vulkans konfrontiert. Und genoss es sichtlich. Likan ist nämlich der Name eines feuerspeienden Berges in Chile, und die Truppe um Eduardo Cacho Cavour sprühte auch nur so vor Freude am Spielen und Lust an der Musik.


Keine Spur von spröden Schwaben
Vom ersten Lied an, der Ayquina aus Chile, sprang der Funke über und zwischen Publikum und Künstlern immer wieder munter hin und her. Und so feuerte man sich über zwei herrliche Stunden immer wieder gegenseitig an. Gemeinhin wird den Nürtingern ja eine gewisse Zurückhaltung und Spröde nachgesagt (was man nicht durch die Bank entrüstet zurückweisen kann) aber vorgestern Abend war davon nichts, aber auch gar nichts zu spüren.
Schon bei der Lügnerin (La Mentirosa) aus Ecuador klatschten die Menschen begeistert mit, und die Füße wippten im Takt, dass es eine wahre Pracht war. Die Leichtigkeit des Seins der Südamerikaner erfüllte die schwäbischen Seelen, und so mancher dürfte erstaunt gewesen sein, wie gut sich das anfühlt, aus vollem Herzen Lala lei, lalala mitzusingen und (bei der Zugabe geschahs dann doch) selbst in den Kirchenbänken aufzuspringen und sich im Takt zu wiegen.
So macht nicht nur Zuhören, sondern auch Lernen Spaß. Cacho (Ich bin ein Rucksack-Berliner) servierte nämlich in seiner sympathischen, zuweilen auch radebrechenden Art seinem Publikum augenzwinkernd eine Fülle von Informationen über die Musik Südamerikas, die eben kein Einheitsbrei ist, sondern durchaus wahrnehmbare Varianten besitzt vom romantischen Ohrwurm El Condor Pasa aus Peru (übrigens passa gesprochen) bis zum deutlich von afrikanischen Einflüssen geprägten Stil Boliviens, der heute wie zur Sklavenzeit helfen muss, die Armut und das Elend zu ertragen, das viele auch nur im Suff aushalten.
Die Intensität dieses Abends war freilich sicher auch der herausragenden Qualität der fünf Musiker geschuldet, die ihr Bestes gaben, weil es ihnen schlichtweg Spaß machte, vor einem solch tollen Publikum zu agieren. Es dürfte zum Beispiel schwer werden, einen Besseren an der Quena zu finden als Carlos Sardon, den Indianer aus Peru, der diese traditionelle Andenflöte ohne Mundstück nicht nur beherrscht, sondern mit seinen Lippen und seinen flinken Fingern eine regelrechte Liebesbeziehung zu diesem Instrument mit einer Bandbreite von drei Oktaven entfaltet. Auch Cacho verwächst fast mit dem Charango, der kleinen zehnsaitigen Gitarre aus Bolivien, mit der er wunderbar gefühlvolle Miniaturen zaubert. Und so hatte der Likan Cavour auch nichts von dem Furchterregenden, das es bei Vulkanen ja auch gibt. Dafür aber viel Verlockendes. Und vieles, das einem das Herz wärmte.

 


Die südamerikanische Leichtigkeit des Seins in der Wolfschlugener Josefskirche: Likan Cavour jg

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Rainer Simon September 2007

Unterwegs zum Nabel der Welt

1994 war ich das erste Mal in Cusco, der legendären Hauptstadt des Inka-Reichs. Damals hatte ich in Ecuador den Dokumentarfilm "Die Farben von Tigua" über naive indianische Maler aus den Anden gedreht. Mein Patenkind Pachacutic aus der Malerfamilie Chugchilán war zwei Jahre alt. Nun ist er 15, und ich reise mit ihm noch einmal nach Perú. 1994 flog ich von Lima in die Anden, vom Landweg wurde noch abgeraten. Zwar war Abimael Guzmán, der "Presidente Gonzalo" des "Sendero luminoso" 1992 verhaftet worden, doch die Spirale der Gewalt zwischen der entarteten Guerilla-Bewegung "Leuchtender Pfad" und dem Fujimori-Regime drehte sich weiter.
Dieses Mal wollte ich mich allmählich dem Ziele nähern. Wir flogen zuerst nach Pucallpa, einer Großstadt am Rande des Urwalds, Hitze, Staub, knatternde Motordreiräder und ein großer Fluss, der Rio Ucayali, voller Haus- und Frachtboote, von denen Berge grüner Bananen, Papayas und Wassermelonen entladen wurden wie am Mekong in Kambodscha. Auch die Menschen ähnelten einander. Doch Perú hat den Vorteil, dass ich mich mit den Leuten unterhalten kann.

Ich hatte mir vorgenommen, mich mit Pablo Amaringo zu treffen, dem Maler der Ayahuasca-Visionen und traf den Mitte 60-jährigen in seiner "Escuela de pintura amazónica", wo die Schüler zwischen 6 und 75 Jahren alt sind und die Landschaften Amazoniens malen. Es geschah, was man in meinem Alter nur selten erlebt, dass sich zwei Erwachsene auf den ersten Blick sympathisch sind und sich sofort ein Gedankenaustausch ohne wenn und aber entwickelt. Dazu mag beigetragen haben, dass ich ihm von meinem Ayahuasca-Erfahrungen in Ecuador erzählte, dass wir beide einen ecuadorianischen Schamanen der Secoya-Indígenas gut kannten und nicht zuletzt, dass ich mit meinem indianischen Patensohn unterwegs war.

Pablo erzählte, dass es unter seinen Vorfahren mehrere Schamanen gab, er diesen Dingen aber skeptisch gegenüber stand, bis er als junger Mann die Heilung seiner todkranken Schwester erlebte und sich selbst unter dem Einfluss von Ayahuasca, der Urwaldliane, seiner schamanistischen Fähigkeiten bewusst wurde. Danach arbeitete er sieben Jahre als vegetalista, als Heiler, er reiste durch Amazonien und trank beinahe jeden Abend den Sud der heiligen Pflanze. Bis er bemerkte, dass feindliche Schamanen ihn verrückt machen wollten. Ein Freund sagte ihm, dass es nur einen Ausweg gäbe, den stärksten seiner Feinde zu töten, eine Schamanin. Pablo überlegte 25 Tage, aber er wollte niemanden umbringen, wie könnte er mit einer solchen Schuld weiterleben. Also entsagte er dem Ayahuasca. Das ist nun schon 30 Jahre her. Bereits als Jugendlicher hatte Pablo gemalt, Landschaften, Porträts, doch davon konnte er nicht leben und arbeitete als Bauer. Später in den achtziger Jahren traf er in einem Bus einen Schweizer, der gerade ausgeraubt worden war. Pablo nahm ihn mit nach Hause, beköstigte ihn und erzählte ihm von seinem Leben. Wochen später kam aus der Schweiz ein Päckchen mit Malutensilien an, und der Schweizer riet ihm, seine Ayahuasca-Erfahrungen im Bild festzuhalten. Seitdem malt er aus der Erinnerung jene überbordenden Visionen, die zu hohen Preisen in den USA verkauft werden, auch ein Buch ist erschienen. Farbige, ineinander verschlungene Boas, auf denen Schamanen reiten, geheimnisvolle Jaguare, Fledermäuse, Vögel, Affen, Schlangen, immer wieder Schlangen, Blüten, die eine aus der anderen wachsen, der Urwald, dessen Grün in allen Farben schillert, Lichter, Blitze, Regenbögen, Geister, Dämonen und gänzlich seiner Welt Fremdes, blonde Elfen, europäisch anmutende Könige, fernöstliche Prinzessinnen, durchsichtig kristalline Städte, Unterwasser-Welten, das Erd-Innere, Raumschiffe… Und alles scheint ständig seine Form zu verändern.
"Es sind Visionen, die aus anderen Welten zu mir kamen, del espacio, aus dem Raum", so Pablo. Ich erkannte in den Bildern manches, was auch ich gesehen hatte und was mein Leben verändert hat. Ayahuasca hat mir neue Welten eröffnet, es hat mich bestärkt in meiner Achtung vor der Natur, es hat mein Menschsein eingeordnet als etwas der Natur Angehörendes, als etwas Wertfreies und deshalb umso Wertvolleres. Ich sah seitdem anders auf die Welt, vieles was mir vorher wichtig war, verlor an Bedeutung. Durch vollkommen unerklärliche Visionen war mir klar geworden, dass es bei diesem einmaligen Balanceakt, unserem Leben, auf das ankommt, was man vielleicht mit dem inneren Gleichgewicht beschreiben kann oder auch mit dem Gefühl des All-Eins-Sein mit allem, was die Natur geschaffen hat, und immer in Bewegung zu bleiben, nie zu erstarren.

Pablo zeigte uns seine Bilder und bewirtete uns mit großen Stücken Wassermelonen.
Später kam sein Sohn Juán dazu. "Heute Abend findet ein Ritual statt", sagte er.
"Wenn du möchtest, kannst du daran teilnehmen", sagte Pablo.
Es war kaum zu glauben, gleich am ersten Tag dieser Reise…

Bisher hatte ich das Glück gehabt, mit Freunden im Kreise von Einheimischen in einfachsten Urwaldhütten an Ayahuasca-Ritualen teilnehmen zu können. Das erste Mal wurde ich eingeladen, als ich meinen Film "Die Besteigung des Chimborazo" vor jungen indigenen Führern im ecuadorianischen Puyo gezeigt hatte. Dieses Mal war es anders. Außerhalb der Stadt managte Juán ein Schamanen-Centro, dort gab es ein geräumiges Holzhaus, wo die Zeremonien stattfanden, und ein paar einfache cabañas zum Übernachten für die Gäste, das waren drei junge Leute, eine Japanerin, ein Holländer und ein Italiener. Im Zeremonialhaus standen drei große samtrote Couchgarnituren wie in einer VIP-Lounge. Davor war für jeden von uns eine dünne Schaumgummimatte auf dem Holzboden ausgerollt, und daneben stand für jeden ein Eimer, zum Kotzen. Wir nahmen Platz auf den weichen Sofas. Der Holländer las in einem Buch, die Japanerin nahm eine Yoga-Position ein. Der Italiener flüsterte mir zu, dass er etwas Angst habe, es sei das erste Mal. Furcht, Ehrfurcht, war ein durchaus normales Gefühl, dessen man sich nicht zu schämen brauchte.

Der Schamane Don Fidel war ein rüstiger 80-Jähriger vom Volk der Cocama-Indígenas. Er saß uns gegenüber auf einer Bank und schenkte uns zunächst wenig Beachtung. Dann sagte er, alles auf der Welt habe zwei Seiten, eine gute und eine schlechte, auch der Mensch, auch die Schamanen, manche von ihnen könnten heilen, andere würden töten, er aber nicht. Doch er brauche uns nur anschauen und wisse alles über uns, welche Krankheiten wir hätten und wie lange noch zu leben. Die Ärzte im Krankenhaus von Pucallpa riefen ihn bei schwierigen Fällen, um von ihm zu erfahren, ob eine Behandlung Sinn habe. Er habe Diplome aus Perú und aus den USA. Mir schien es, als erzähle er dies mit einer gewissen Verachtung für uns, warum auch sollte er sich mit uns abgeben? Weil wir zahlten. Geld verschafft keine Achtung.

Schließlich begann er zu singen. Er sang in Quechua, und ich fragte Pachacutic, ob er den Text verstehe. "Aha", sagte Don Fidel, "du heißt Pachacutic, hm, hm", Pachacutic ist ein magischer Begriff, der soviel bedeutet wie Zeit der Wiederkehr, des Neuanfangs, der Hoffnung… "Was hast du denn verstanden, Pachacutic?" Er sang noch ein paar Lieder, nur für Pachacutic, wie mir schien, und der übersetzte, was er von dem peruanischen Quechua verstand, das sich vom ecuadorianischen Quichua ziemlich unterscheidet.

Don Fidels Gesicht veränderte sich, es wurde suave, weich, freundlich.
"Hm, hm, und du bist also sein padrino, hm, hm", sagte er zu mir. Pause.
Nun begann der Schamane mit einem Handy zu telefonieren. Er hatte zwei junge Gehilfen, Iván und José, die zu unserem Wohl dabei waren. Don Fidel rief die Freundin Iváns an und schäkerte mit ihr, ein langes Gespräch. Ich verstand, er macht das, um die Ungeduld seiner Klienten zu brechen, und fragte ihn, mit welchen Geistern er telefoniere und ob sie bereit wären. Don Fidel lächelte. Meine drei Zufallsgefährten hatten wenig Sinn für solche Späße, sie harrten voller Ungeduld, dass endlich der Becher gereicht würde. Yuko, die Japanerin, ein Mädchen vom Typ ehrgeizige Musterschülerin, verharrte reglos in ihrem Yoga-Sitz, und ich ahnte, das würde für sie nicht gut gehen. Ayahuasca kann man nicht dominieren. Es hat auch keinen Sinn, auf etwas zu warten, Ayahuasca macht mit einem, was es will. Man muss es geschehen lassen. Das ist einfacher gesagt, als getan.
Dann schenkte der Schamane aus einer Plastikflasche dunklen Sud in einen kleinen Becher. "Simón!" Er winkte mich heran. Ich verneigte mich vor dem Getränk und blies mit einem sanften Pfeifton über die schwarze Flüssigkeit. Dann nahm ich sie zu mir. Jedes Ayahuasca schmeckt anders, entsprechend der Pflanze und der Zutaten, die der Schamane beigibt. Dieses Ayahuasca hatte neben der bekannten Bitterkeit einen beinahe süßen Nachgeschmack. Nun kamen die drei anderen dran. Der Holländer kotzte sofort alles wieder aus. Wir legten uns auf die harten Schaumgummiunterlagen. Pachacutic, der nichts trank, machte es sich hinter mir auf der weichen Couch bequem. Im Verlaufe der Nacht würde er einschlafen, wieder aufwachen, mir zulächeln oder wie ein Engel über mir schweben.

Alle Lichter wurden gelöscht. Es begann. Allmählich fühlte ich es in mir aufleuchten.
Ich werde nicht versuchen, die Visionen zu beschreiben, kein Dichter kann das, und kein Maler kann sie malen, William Burroughs, Timothy Leary, Aldous Huxley haben sich daran versucht, in Bildern von Jackson Pollock, Wassily Kandinsky, Hieronimus Bosch oder auch in den von Ernst Haeckel gezeichneten "Kunstformen der Natur" kann man Ahnungen davon bekommen, aber selbst ein Pablo Amaringo kann sich dem nur nähern, denn im Bild erstarrt das visionär Erlebte, das der menschliche Geist aufnehmen, an das er sich erinnern, das er aber nicht reproduzieren kann. Es sind Bilder, die aus Naturwelten zu uns kommen und uns (vielleicht) an etwas erinnern, was seit Millionen Jahren ins uns ist und ganz unabhängig von uns. Ich merkte schon nach etwa 20 Minuten, dass dieses Ayahuasca eine sehr starke Wirkung hatte. Bei meinen bisherigen Reisen hatte ich vor allem figürliche, gegenständliche Visionen erlebt, beglückende wie quälende. Dieses Mal trug es mich davon in völlig abstrakte Welten aus Lichtern, Blitzen, Farben, geometrischen Formen, sich fortwährend verändernden, oft symmetrisch angeordneten Strukturen, alles ineinander verschlungen, eins das andere auslöschend und gebärend. Das Chaos des Urknalls, der Entstehung der Welt, der Menschheitsdämmerung, des Endes der Welt? In welcher Beziehung stand das zu mir, zu all jenen winzigen Bestandteilen, aus denen auch ich bestand wie jede andere Form der Materie? Oder hatte es mit Energieströmen in mir zu tun? Wie gelangte dies alles in mein menschliches Bewusstsein? Niemand kann es erklären. Doch es kann dich, den Betroffenen, hellsichtiger machen. Es bleibt etwas, was dein Inneres nie vergisst. Die Welt ist nicht mehr nur so, wie sie vorher war. Du weißt jetzt mehr von ihr.

Es war unausweichlich, dass ich der zwei Seiten in allem gewahr wurde, es trug mich dem Paradiese entgegen, das ebenso die Hölle sein konnte, um zwei völlig unzureichende Begriffe zum Vergleich heranzuziehen, und ich näherte mich einer definitiven Grenze und wusste nicht, was dahinter war, Tod, Auslöschung oder ein anderes Sein, jene andere Dimension, von der die Schamanen berichten? Was in mir strömte, blitzte, wob und wallte, empfand ich als eine Welt, die weit über mein kleines Menschsein hinausging. Endlich begann Don Fidel zu singen. Im ersten Moment half es, doch dann waren die Visionen noch weniger zu ertragen. Ich wusste, dass ich nichts dagegen tun, mich nur fügen konnte. Ich kniete mich hin, legte meinen Oberkörper auf meine Knie und den Kopf soweit nach vorn, dass er den Boden berührte, und streckte die Arme mit den nach oben gerichteten Handflächen nach hinten neben meine Füße. So ruhte ich in mir und war doch aufnahmefähig. Aber sogleich fürchtete ich jede Sekunde mehr, jene Grenze zu überschreiten, von der mir eine Rückkehr ungewiss schien. Es half nur eins: Ich dachte an Pachacutic, und da ich mit ihm und nicht allein hier war, beschloss ich, die Grenze nicht zu überschreiten. Dieser Entschluss stand in meiner Macht, so qualvoll es auch war, durchzuhalten. Es dauerte Stunden… Ich kann nur warnen: Ayahuasca ist nichts für Freaks, die auf den Kick einer Drogenerfahrung aus sind.

Nebenher nahm ich alles andere wahr: Yuko erbrach sich immer wieder und rief: "Iván, Iván… towel, paper, blanket, my glasses…" Sie sprach kein Spanisch und war in höchster Panik. "Iván, Iván!" Aller paar Minuten schrie sie. Iván und José kümmerten sich auf rührende Weise um sie. Wenn sie ihre Taschenlampen anknipsten, schwirrten vielzackige Kometen im Raum. Doch nie kam ein bitte oder ein danke von ihr, sie sprach halt mit Dienstboten. Später schrie und wimmerte sie nach ihrer Mutter, ich verstand, dass sie litt, doch ich begriff auch, ihr war nicht zu helfen, sie war dazu erzogen, sich und die Welt zu beherrschen, es fehlte ihr an Respekt, vor der heiligen Pflanze, vor dem Schamanen, vor seinen jungen Gehilfen… und vor sich selbst.
Später in der Nacht, als die Visionen abgeklungen waren, führte mich Pachacutic zu unserer Schlafhütte. An Schlaf aber war nicht zu denken. Ich nahm jedes Geräusch der Welt wahr. Ein paar Mal, wenn Pachacutic unruhig atmete, hatte ich das sichere Gefühl, ein schwarzer Puma sei im Raum und nähere sich seinem Bett. Ich wagte nicht, die Augen zu öffnen, denn dann hätte ich die Bestie gesehen. Ich verscheuchte das Tier mit meinen Atemstößen, und Pachacutics Atem beruhigte sich. Ich traf mich mit Verstorbenen, mit Pachacutics älterem Bruder, der an einem Hirntumor starb, und mit dem Indianerjungen Mico, dem Darsteller meines Films "Der Ruf des Fayu Ujmu", der vor reichlich einem Jahr an AIDS verendete. Irgendwann rief ein Hahn, und dieser Hahnenschrei schien mir der reinste und schönste Ton, den ich je gehört hatte, welch eine Verheißung! Es katapultierte mich zurück in sächsische Kindheitssommertage auf dem Lande. Ich befand mich wieder dort, weit realer als in jedem Traum. Der Hahn war ein Frühaufsteher, es vergingen noch Stunden intensivsten Fühlens und Denkens, bis endlich der Morgen graute. Ich setzte mich vor die Hütte und sah dem Aufscheinen des Tageslichts zu, als sähe ich es das erste Mal.

Am Vormittag zeigte ich den "Ruf des Fayu Ujmu" in Pablo Amaringos Malschule.
Am nächsten Tag fuhren wir mit einem überladenen Sammeltaxi in das Dorf San Francisco an der Yarinacocha-Lagune. Hier leben Shipibo-Indígenas. Noch im Taxi fragten mich zwei Frauen, ob ich mir ihr Kunstgewerbe ansehen möchte. Die eine Frau hieß Lydia wie meine Großmutter. Ihr Sohn Max war so alt wie Pachacutic. Ihre Mutter und ihre Schwestern kamen mit ihren Waren dazu. Unter einem Dach boten sie Decken und Tücher und Keramikgefäße an mit wundervoll grafischen Mustern, Ketten aus Pflanzensamen, an denen Schildkrötenschädel, piraña-Gebisse oder Amuletts des riesengroßen paiche-Fischs hingen. Ich entdeckte die abstrakten Symbole der letzten Nacht. Ja, wir arbeiten nach den Mustern der Ayahuasca-Visionen, auch wir Frauen haben es getrunken. Ich kaufte eine Tischdecke, und Max führte uns zu ihrem Zentrum alternativer Naturmedizin, ein Onkel ist Schamane. Sie zeigten uns die sich wie Schlangen an Bäumen hochrankenden Ayahuasca-Lianen und viele andere Heilpflanzen. Als wir zurückkamen, hatte Lydia einen Sud aus Urwaldblättern angesetzt. Sie tauchte die Hände hinein und strich mir damit über den Kopf: "Dass du gesund bleibst und dass es dir gut geht!" Dann bat sie darum, dass ich das gleiche mit Pachacutic und mit Max tue. "Nun hast du noch einen Patensohn", sagte sie. Ganz selbstverständlich luden sie uns zum Mittagessen ein.

Später in einem kleinen Laden in San Francisco erzählte man uns, dass es am Vortag ein schreckliches Erdbeben in Perú gegeben hätte. Wir waren auf der anderen Seite der Anden und hatten davon nichts gemerkt. Doch wir sahen die Bilder in den Zeitungen und waren beeindruckt von der Welle der Solidarität, die durchs Land ging. Auf den plazas, vor Rathäusern, Schulen und katholischen Kirchen stapelten sich Spendenberge.

Von Pucallpa bis Cusco dauert die 1600 Kilometer lange Reise im Bus etwa fünf Tage. Nur ein geringer Teil der Strecke ist asphaltiert. So kann es sein, dass man für eine Entfernung von 300 Kilometer mehr als 10 Stunden benötigt. Die in der Trockenzeit Staub überwehten Pisten winden sich in endlosen Serpentinen über Andenpässe. Sieben Mal geht es über 4000 Meter hinauf, die tiefsten Punkte in den Tälern liegen bei 2000 Metern. Man schwebt über 1000 Meter tiefen Abgründen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass riesige Reisebusse solche Haarnadelkurven und Steigungen bewältigen können und wie "dünn" sich ein solcher Bus machen kann, um an einem Hindernis vorbeizukommen. Wir waren fast immer die einzigen Ausländer im Bus. Die Freundlichkeit der Peruaner begleitete uns auf der ganzen Reise.

In Huánuco, 1900 Meter hoch in den östlichen Kordilleren gelegen, einer Stadt, die damit wirbt, das beste Klima der Welt zu haben, gerieten wir an einen jungen Taxifahrer, der uns zu den Ruinen von Kotosh brachte, einer 4000 Jahre alten Kultur, über die fast nichts bekannt ist, außer dass man dort ein Relief gekreuzter Hände fand, das zu vielerlei Deutungen Anlass gibt. An den Mauern der Ruinen wachsen riesige San Pedro-Kakteen, auch dies eine heilige Pflanze. Noch heute fühlt man die Kraft des Ortes. Ich spürte diese Energien überall, wo indianische Völker bauten, in Chan Chan und an den Pyramiden der Mochica in Perús Norden, in Cusco, Sacsayhuamán, Tipón, Ollantaytambo, Machu Picchu und ebenso in Bolivien, Mexiko oder Guatemala. Der Taxifahrer war so stolz, dass wir uns für seine Stadt interessierten, dass er uns den ganzen Sonntag durch die Gegend kutschierte und wir von der Zuckerrohrmühle bis zum Haus der Geliebten eines spanischen Vizekönigs, deren Sohn später an den Befreiungskriegen teilnahm, alle Sehenswürdigkeiten vorgeführt bekamen.
Es ging weiter über den 4330 Meter hohen Cerro de Pasco, wo Kupfer, Zink und Silber abgebaut werden, auf der Hochebene grasten zierliche, wilde vicuñas, doch die schimmernden Seen da oben sind alle tot, von der Erzförderung vergiftet.

Dass ich als Nächstes in Huancayo Station machte, habe ich Shirley MacLaine zu verdanken. Die Schauspielerin, mir aufgefallen in Billy Wilders "The Apartement", beschreibt in ihren Büchern ihren ungewöhnlichen Weg zu Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung. In "Zwischenleben" hatte ich von ihren esoterischen Erfahrungen in Perú gelesen, auch vom schneebedeckten Berg Huaytapallana. Dorthin zu gelangen, musste man in Huancayo ein Taxi mieten, und der Taxifahrer war zugleich der Bergführer. Wir rasten auf einem steinigen Weg, das Tal des Flüsschens Rio Shullcas hinauf. Der taxista erzählte, vor 20 Jahren hätte man hier am Wegrand jeden Tag Tote gefunden, campesinos, vom Sendero luminoso umgebracht, wenn sie der Guerilla nicht halfen, vom Militär ermordet, wenn sie verdächtigt wurden, in Kontakt mit der Guerilla zu stehen. Erst im Jahre 1999 habe man in dieser Gegend den Nachfolger Abimael Guzmáns Oscar Ramirez Durand alias "Comandante Feliciano" gefangen. Seit jenen Zeiten wollen die Leute hier nichts mehr wissen von der Politik, sie fühlen sich betrogen von allen Seiten und möchten nur noch in Ruhe ihr bescheidenes Leben führen. Wie sie es schon geführt hätten, bevor die Spanier und bevor die Inkas kamen. So manches der von den Inkas eroberten Völker hatte sich erbittert gewehrt, was später den spanischen Kolonisatoren bei der Zerschlagung des Inka-Imperiums zu gute kam. Warum sollen unterdrückte Völker ihren Peinigern beistehen? Was sie freilich nicht ahnen konnten, dass den Inkas ein viel grausameres Regime folgte, das des christlichen Abendlandes.

Was er auch erzählte, dass bis vor etwa 15 Jahren am Huaytapallana regelmäßig Außerirdische gelandet seien. Jeder hier in der Gegend wisse davon. Er selbst habe sie gesehen, als er half, eine verschollene Touristengruppe zu suchen. Die Wanderer hatten sich verirrt, so dass sie erst in der Dunkelheit zurückkehrten, als über dem Vorgebirge ein diffuses, blendendes Licht erschien und ein ovales Gebilde gelandet sei, dem kleine Wesen entstiegen. Alle seien zur Berghütte zurückgekehrt, dort aber seien die Touristen reihenweise in Ohnmacht gefallen, keine Ahnung warum, denn niemandem sei etwas passiert.
Dieser Berghütte näherten wir uns, 4500 Meter hoch, ein schwarzes Vorgebirge ragte weitere 500 Meter hoch wie eine Wand vor uns auf, die schneebedeckte Gipfelkette blieb dahinter verborgen. Wie sollst du da hinauf kommen? Dachte ich.

Im letzten Dorf hatte der Bergführer Früchte, Schokolade, Bonbons, Schnaps und coca-Blätter gekauft, nicht für uns; bevor wir den Aufstieg begannen, spendete er die Gaben dem Berg. Nur von den coca-Blättern behielt er ein paar Handvoll übrig und riet uns, sie in die Wange zu stecken und dort mit Speichel zu befeuchten, aber nicht etwa zu zerkauen. Eine Prise schwarzer kalkhaltiger Pflanzenasche kam dazu, um die Wirkung der coca schneller und nachhaltiger in Gang zu setzen. Es schien mir ein Wunder, ich stieg die mir unbezwingbar scheinende Wand hoch, als wäre ich 20 Jahre jünger. (Es sei hinzugefügt, dass die heilige Pflanze coca mit dem aus ihr synthetisch hergestellten, in der westlichen Welt beliebten Kokain ungefähr soviel zu tun hat, wie eine Weintraube mit Äthylalkohol.)

Von dem Stein übersäten Grat des Vorgebirges, wo ein Muster seltsamer weißer Linien eingekratzt war, sah man die gleißende, schneebedeckte Gipfelkette, bis 5557 Meter hoch, von der Gletscher sich zu kleinen blauen Seen hinunter winden. Der Bergführer und ein junges Paar aus Lima, das mit uns unterwegs war, hatten es eilig, sie wollten weiter bis zur Schneegrenze. Pachacutic und ich nicht, wir wollten auf diesem Grat verweilen, festgehalten von einer unwirklichen Faszination. Bald merkten wir warum. Pachacutic warf Steine nach unten, doch plötzlich erschrak er, denn unter einem Steinhügel, fand er drei Püppchen. Jetzt wurde uns gewahr, all diese kleinen Steinhaufen, all diese mit Steinen zugedeckten huecos waren Opferstätten und Schamanen-mesas, an manchen Felsen hatten die Schamanen ihre Namen eingeritzt, Knochen fanden sich dort, verkohlte Hölzer, Stäbchen, vertrocknete Pflanzen und Blüten, Tabak- und coca-reste, und viele Dinge, die eingewickelt waren und die wir uns hüteten zu berühren. Pachacutic türmte über den kleinen Figuren wieder Steine auf und entschuldigte sich für seine Unachtsamkeit. Dann sprachen wir lange mit Pachamama, der Mutter Erde, und mit Apu, dem Berg, es war das Selbstverständlichste der Welt, was man an diesem Ort tun konnte. Wir dankten ihnen für unser Leben, wir baten sie, unsere Familien und Freunde und uns selbst zu beschützen. Jeder von uns baute in Hochachtung vor dem Berg und der Mutter Erde einen kleinen Steinturm. Nach drei Stunden stiegen wir wieder hinab. Eine Stunde später kehrten unsere Begleiter zurück, die jungen Leute aus Lima waren aschfahl, der soroche, die Höhenkrankheit hatte sie gepackt.

In Ayacucho, der schönen Kolonialstadt, deren Universität zur Wiege des "Leuchtenden Pfads" geworden war, lernten wir zwei Wunderkinder kennen. Am Abend legte mir ein Jugendlicher in einer Bar ein paar bedruckte Seiten neben den pisco sour. Gedichte, die mich wegen ihrer erschütternden Traurigkeit sofort in ihren Bann zogen. Romel Lobatón, der 16-jährige Poet, erzählte, dass er nach dem Tod seines Vaters mit dem Verkauf seiner Gedichte der vielköpfigen Familie zu überleben helfe. Pablo Neruda und Cesar Vallejo seien seine großen Vorbilder, und als er hörte, dass ich ein Bewunderer von José Maria Arguedas bin, freute er sich, dass dieser peruanische Schriftsteller auch in Europa bekannt ist. Mit 12 Jahren habe er begonnen zu schreiben und schon ein paar Dichter-Wettbewerbe gewonnen, Lehrer möchte er werden, so hoffe er, Zeit fürs schreiben zu haben, denn ohne seine Gefühle aufs Papier zu bringen, könne er sich nicht vorstellen zu leben. Aber noch sei ungewiss, ob er das Geld fürs Weiterlernen zusammen bekäme.

Von dem 11-jährigen José Luis Quinto hörte ich zuerst nur die Stimme, ein Timbre von einer solchen Reinheit, wie man es von Solisten des Kreuzchors kennt. Er sang vor der Kirche San Agustín für die Erdbebenopfer, "la voz del oro" wurde er angekündigt. Eine Menschenmenge aus allen sozialen Schichten blockierte die Kreuzung zur plaza. Die Taxifahrer drehten die Scheiben herunter und warteten geduldig.
Wir näherten uns in zwei weiteren Tagesreisen Cusco. "Los Chankas" hieß die Buslinie, benannt nach jenem Volk, das hier gelebt und sich gegen die Inkas verteidigt hatte. Sóndor, eine wenig besuchte, gewaltige Chanka-Festung erhebt sich auf einem Berg in der Nähe von Andahuaylas. Hier findet die von Arguedas beschriebene Yawar-Fiesta statt. Ein Kondor wird gefangen und auf den Rücken eines Stiers gebunden. Das Symbol der indigenen Welt kämpft auf diese Weise mit dem Symbol der Spanier. Der Kondor siegt in der Regel.
Wir hatten Curahuasi passiert, in einer bizarren Felslandschaft gelegen, mit schneebedeckten Bergen dahinter. "Welthauptstadt des Anis" nennt sich der Ort, die Peruaner mögen solche Superlative. Der Bus schraubte sich seit einer Stunde immer langsamer die Serpentinen in Richtung Cusco hinauf, es fehlten noch etwa 80 Kilometer, als er stehen blieb. Das Benzin war ausgegangen. Mit zwei Plastikeimern machten sich die Beifahrer auf den Rückweg nach Curahuasi. Irgendwann kam ein Taxi vorbei und nahm uns mit.

Qosqo Hatun Llacta, Napaycuykin! Oh, Cusco, herrliche Stadt, ich grüße dich - soll man in vergangenen Zeiten gerufen haben, wenn man die Stadt betrat und des Wunderbaren ansichtig wurde. Wir kamen in der Dunkelheit an und sahen erstmal vor allem Touristen, Restaurants und Schaufenster, aus denen uns eine Eleganz und ein Reichtum entgegen blinkten, die es 1994 noch nicht gegeben hatte. Der erschreckende erste Eindruck relativierte sich bei Tage, denn Cusco ist trotz allem eine der schönsten Städte der Welt. Wir gingen zu den Orten der Umgebung unsere eigenen Wege oder fuhren mit den Bussen der Einheimischen. Nur zum neu erkorenen Weltwunder Machu Picchu blieb uns nichts übrig, als uns einer Tour anzuschließen. Solche Umfragen haben immer etwas Fragwürdiges. Machu Picchu hat die Ehre verdient, aber Angkor, die Akropolis und der Eiffelturm wurden nicht für würdig befunden, Tikal in Guatemala und Bagan in Myanmar standen gar nicht erst auf der Liste.
Das heutige, koloniale Cusco wurde auf den Mauern der einstigen Inka-Metropole gebaut. Bar jeder Achtung vor der anderen Kultur, erbauten die Spanier über dem Sonnenheiligtum Qoricancha die Kirche Santo Domingo. Doch auf dem Abendmahl des Malers Marco Zapata in der Kathedrale wird cuy, Meerschweinchen, statt Osterlamm serviert.

Oberhalb von Cusco liegt die Inkafestung Sacsayhuamán, ein magischer Ort, der als uneinnehmbar galt, bevor die Spanier kamen. Man kann zu Fuß hinaufgehen. Dreifache Mauern bilden das siebenzackige Maul eines Pumas, riesige, unregelmäßig geschnittene Steinblöcke sind ohne Zement auf akkurateste Weise ineinander gefügt. Gegenüber auf dem Rodadero-Hügel mit dem Inka-Thron sind die Felsen wie blank poliert und werden von jugendlichen Besuchern als Rutschbahnen genutzt. Auch unterirdische Labyrinthe gibt es dort, und überall waren neue Ausgrabungen zu sehen. Zwischen Festung und Hügel erstreckt sich ein weiter Platz, wo am 24. Juni zur Sonnenwende das Inti-Raymi-Fest gefeiert wird.

An den Salzterrassen von Maras waren wir wieder allein. Sie schmiegen sich wie ein von Menschenhand geformter Gletscher in die Hänge des Valle Sagrado. Seit Vor-Inka-Zeiten wird das salzhaltige Wasser in kleinen Becken aufgefangen, wo es sich absetzt, zu Häufchen aufgeschaufelt und in Säcke abgefüllt wird, die von Trägern Tag für Tag, Stunde für Stunde in einer Art Laufschritt von den Terrassen geschleppt werden. Einer von ihnen war über 60. Seit 50 Jahren mache ich nichts anderes, erzählte er.
Als wir zur Inkafestung Ollantaytambo hinaufstiegen, verstummte Pachacutic, erst als wir wieder unten waren, fand er die Worte wieder. Sonne und Schatten ließen die Terrassen der Festung wie eine Grafik erscheinen. "Hier möchte ich wohnen, mit dieser Landschaft und diesem Bauwerk vor Augen. Aber warum blieben nur Ruinen? Warum ist alles zerstört worden?" Er wusste es, wir hatten oft darüber gesprochen.

Die Ruinen von Ollantaytambo und Pisac, die Bewässerungsterrassen von Tipón, die bis heute funktionieren, auch sie sind Weltwunder, Kraftorte, Zeugen einer von Europäern vernichteten Hochkultur.

Dann also Machu Picchu. Die Bahnreise ist unvergleichlich teurer geworden, die Linie gehört jetzt einem chilenischen Konsortium, und die nutzen ihr Monopol weidlich aus. Die Zugreise kostet viel mehr als der Eintritt zum Weltwunder. Der Zug fährt das Tal des Rio Urubamba hinunter bis nach Aguas Calientes, dort transportierten Kleinbusse die Besucher zur Inka-Festung hinauf, auf 2450 Metern liegt sie. Unsere Reisegruppe hieß "Kosmos", unentwegt riefen die Reiseführer nach ihren Gruppen, denn diese waren massenhaft unterwegs. Unser junger Führer begann die bekannte Geschichte zu erzählen: Dass bis heute nicht klar ist, welcher Bestimmung Machu Picchu diente. Dass man weit mehr weibliche als männliche Skelette und Mumien fand, und dass einige deshalb vermuten, dass sich die Sonnenjungfrauen von Cusco hier vor den Spaniern versteckten, dass es jedenfalls kein einziges zeitgenössisches Dokument gäbe, alle Hypothesen lediglich aus den archäologischen Untersuchungen abgeleitet würden und aus dem, was Chronisten wie Garcilaso de la Vega später über die Zeiten der Inkas aufgeschrieben hätten. Das Inka-Reich, erzählte er weiter, hätte auf den drei Grundregeln indianischer Kultur beruht: Ama sua, ama llulla, ama quella. Nicht lügen, nicht stehlen, nicht faul sein, heißt das. Im Inka-Reich hätte niemand Hunger gelitten, niemand war unzureichend bekleidet, jeder hatte Arbeit, die Alten, Invaliden und Waisen wurden versorgt, es gab keine Kriminalität. Es folgte die Story von Hiram Bingham, des us-amerikanischen Entdeckers, der 1911 auf der Suche nach einem legendären Goldschatz einem Indiojungen gefolgt sein soll, als er auf einem Bergsattel über dem Urubambatal die vom Regenwald überwucherten Ruinen fand, die den Spaniern verborgen geblieben waren. Aber den Peruanern war Machu Picchu immer bekannt. Ich bat den jungen Mann, er möchte doch auch erzählen, was mit den Schätzen geschah, die jener Mr. Bingham fand. Da begann er, den weniger offiziellen Teil zu berichten. Alles, was in Machu Picchu gefunden wurde, sei in Yale, USA, in peruanischen Museen gäbe es nichts davon. 2006 habe man die Funde in Yale ausgestellt, peruanische Wissenschaftler wurden eingeladen, es war ihnen jedoch verboten, zu fotografieren und zu filmen, einige taten es mit versteckten Kameras. Die peruanische Regierung bemühe sich um die Rückgabe, aber "amigo" Bush habe geantwortet, die us-amerikanischen Gesetze seien so, dass er sich da nicht einmischen könne. Was Bingham seinerzeit in 200 bis 300 Kisten auf Maultieren abtransportierte, gibt seit Jahren Anlass zu vielerlei Spekulationen, Mumien, Grabbeigaben aus Keramik und Metall, das ist sicher; ob es sich auch um Gold handelte und ob wirklich alles in der Yale-Universität landete, weiß niemand. Nach dem neuesten Stand der Forschung hat man in Machu Picchu lediglich einen einzigen Armreif aus Gold gefunden, was daraufhin deute, dass die Inkas das Gold an einen anderen Ort gebracht hätten, sagte der Führer. Vielleicht ins sechs Tage entfernte Vilcabamba, der letzten Hauptstadt der Inkas, die erst 1964 wieder gefunden wurde. Vielleicht ins sagenumwobene Paititi, 60 Tagesreisen weit drinnen im Urwald. Alle Versuche dorthin vorzudringen, von französischen Wissenschaftlern, von "Discovery Chanel" und "National Geographic" waren zum Scheitern verurteilt, weil die Machiguenga-Indígenas den Ort vorm hombre blanco, dem weißen Mann, beschützen, zu dem sie kein Vertrauen hätten. Doch "weiß" zu sein, sei keine Frage der Hautfarbe, sondern eine Frage des Respekts vor der Natur und der Geschichte, den die "Weißen" in der Regel verloren hätten, aber es gäbe Ausnahmen.

Pachacutic war fasziniert von diesen Geschichten. Am liebsten wäre er gleich aufgebrochen nach jenem Paititi. "Warum drehst du keinen Film dort?" Es sollte Orte geben, die niemals entdeckt werden, sagte ich ihm.
Im Zentrum von Machu Picchu befindet sich der Intihuatana-Steinblock, Ankerplatz für die Sonne. Ja, man kann sich Machu Picchu auch als eine Enklave von Besuchern aus dem All vorstellen, nicht für diese Welt bestimmt, wir Irdischen wieseln wie Ameisen darin herum. Ein steinerner Apu nimmt die Form des hinter ihm liegenden Berges auf, er hat den Umriss eines riesengroßen Meerschweinchens, jenes cuys, mit dem die Schamanen der Anden ihre Reinigungsrituale durchführen. Lehnt man sich mit den Händen an jenen Stein und konzentriert sich, kann man Energie in seinen Körper eindringen fühlen, heißt es. Mir erschienen Formen, wie ich sie in jener Nacht in Pucallpa gesehen hatte.
Man kann die Ruinen und Monumente, die Terrassenfelder, wo hunderte Sorten von Kartoffeln, Mais und quinua angebaut wurden, als Meisterwerke menschlicher Schöpferkraft verstehen, ein Hort, sich in der überwältigenden Welt der umliegenden Berge zu behaupten. Doch Machu Picchu ist ein Ort, wo man sich hüten sollte, zu viel verstehen zu wollen.
Nicht alle Geheimnisse sind dazu da, sie zu lüften.

Literaturempfehlungen:
Luis Eduardo Luna, Pablo Amaringo: Ayahuasca Visions
Arno Adelaars, Christian Rätsch, Claudia Müller-Ebeling: Ayahuasca
José Maria Arguedas: Fiesta des Blutes, Die tiefen Flüsse
Garcilaso de la Vega: Wahrhaftige Kommentare zum Reich der Inka


Der Traum des Mariachi

J.Andres Araque,Mariachi Oro Negro

Mein Traum, den weltberühmten Versammlungsort der Mariachi kennen zu lernen, führte mich auf eine Reise von Berlin in das populäre historische Zentrum von Mexiko Stadt zur Plaza Garibaldi. Gegen 19 Uhr hatte ich den Platz erreicht, während ich ihn überquerte, betrachtete ich fasziniert jeden Stein, jede Fassade, jeden Baum und jedes Denkmal.
Die Mariachi Gruppen waren über den gesamten Platz verteilt, einige stimmten ihre Instrumente, andere spielten ihre Melodien und trugen ihre Gesänge vor für die Liebespaare, für Familien und Touristengruppen.

foto:Jacqueline Cossio

Aus der Ferne meinte ich die Stimme des berühmten Mariachi Sängers José Alfredo Jiménez zu hören, ich glaubte zu träumen, mit halbgeschlossenen Augen habe ich mich von der berühmten Melodie des Liedes führen lassen. Ich sagte mir, derjenige der da singt ist entweder der König der Plaza Garibaldi oder zumindest ein Verwandter eines berühmten Mariachi.

Monumento al Mariachi

Dieser Musiker stand vor dem Denkmal des Mariachi, er war ungefähr 60 Jahre alt und trug einen komplett schwarzen Anzug, er spielte auf seiner kleinen Gitarre der Vihuela und wurde von sechs Musikern begleitet. Ich stellte mich ihm gegenüber und zeigte meine Ergriffenheit mit einer Geste meiner Hand von meinem Herzen zu meinem Kopf, er antwortete mir indem er seinen Sombrero vor mir zog. Die Gruppe spielte acht bekannte mexikanische Lieder: La Media vuelta, Camino de Guanajuato, El siete mares, Cuando los años pasen., Deja que salga la luna, El último trago, Me equivoqué contigo y Paloma querida. Bevor der schwarze Mariachi sich entfernte, forderte er mich auf, neben ihm Platz zu nehmen, und er sagte zu mir:" Du siehst nett aus, sicherlich bist du auch ein Mariachi." Ich habe ihn gefragt, wie er das wissen könne. Er antwortete:" Ganz einfach, es ist die Art wie du uns ansiehst und unsere Lieder hörst." Er gab mir die Hand und sagte:" Ich heiße Manuel, meine Freunde nennen mich Manolo, wie heißt du?" "Mein Name ist Andres, du kannst mich Carora nennen." Wir setzten uns in eine kleine Cantina und er lud mich zu einem Glas Tequila ein und begann sogleich zu erzählen. "Wusstest du, dass dieser Platz der Mythos der Mariachi von Mexiko ist. Für jeden Mariachi ist es ein Traum, einmal hier zu sein, wo bereits viele berühmte Gruppen gespielt haben. Ursprünglich gab es auf diesem Platz einen Flohmarkt der Indios wo sie gebrauchte und preiswerte Sachen verkauften.

foto:Jacqueline Cossio

1920 machte Cirilo Marmolejo die erste Mariachi Gruppe in der Hauptstadt bekannt. Dem Präsidenten Pascual Ortíz Rubio und dem Polizeichef General Roberto Cruz gefiel diese Gruppe so gut, dass sie Marmolejo die offizielle Erlaubnis erteilten, zu spielen wo immer er wollte. Marmolejo hat die Plaza Garibaldi gewählt, von diesem Moment an war dieser Platz der Stammsitz der Mariachi. Der Platz strahlt eine fröhliche lebhafte Atmosphäre aus, wo man sehr gut folkloristische Musik hören und die typische Gastronomie von Jalisco und Valle aus Mexiko genießen kann.

Der Name des Platzes ist verbunden mit dem hundertjährigen Jubiläum des nationalen Befreiungstages und bezieht sich auf Oberstleutnannt José Garibaldi den Enkel des berühmten italienischen Freiheitskämpfers Guissepe Garibaldi.

Er erklärte mir:" In Wirklichkeit sind wir keine Mariachis, das ist ein umgangssprachliches Wort, tatsächlich sind wir Mariachi Gruppen. Die herausragendste Musikgruppe ist Mariachi Vargas de Tecalitlán, ihre Musikproduktionen haben fünf Generationen überdauert und dazu beigetragen, die Bekanntheit und Liebe zur mexikanischen Musik zu verbreiten.

Eine Mariachi Gruppe besteht aus drei, sieben oder zwölf Musikern, tatsächlich gibt es kein Limit.

Die ersten Mariachi Gruppen waren volkstümlich, sie trugen die Baumwollkleidung der Bauern aus Jalisco und einen Sombrero aus Stroh. Anfang des 20. Jahrhunderts begannen sie im Charro, dem traditionellen Anzug der reichen Viehzüchter aufzutreten. Im Laufe der Zeit hat sich dieser Anzug verändert. Die Verzierung dieses Kleidungsstücks besteht aus geprägten gold- oder silberfarbenen Metallknöpfen, die manchmal aus echtem Silber sind. Die Sombreros sind echte kunstvolle Handarbeiten aus haltbaren Materialien, die nichts gemeinsam haben mit den überreichlich verzierten Sombreros, die den Touristen angeboten werden.
Üblicherweise werden für die Tracht der Mariachi zwei Farben verwendet, entweder schwarz oder weiß. In letzter Zeit kleiden sich die Mariachi Gruppen teilweise auch in beige oder weinrot. Am häufigsten werden schwarze Anzüge getragen, insbesondere bei feierlichen Zeremonien wie Hochzeiten und Beerdigungen.

Bis vor einigen Jahren gab es keine weiblichen Mariachi Gruppen, allerdings gehörten schon immer Sängerinnen zu den Gruppen, die jedoch anders und viel farbenfroher gekleidet waren als die Männer. Im modernen Mexiko gibt es verschiedene weibliche Mariachi Gruppen, z.B. "Las Perlitas Tapatías" aus dem Bundesstaat Jalisco, Las Morenas de México Lindo, el Mariachi Mujer 2000 oder el Mariachi Las Morenas.

Zum Ursprung des Namens "Mariachi" gibt es unterschiedliche Geschichten. Während der französischen Besatzung haben die Mariachi Gruppen häufig auf Hochzeiten gespielt, das französische Wort für Hochzeit lautet "Mariage", die Franzosen bezeichneten diese Musikgruppen daher als Mariachi. Eine andere Geschichte sagt, dass das Wort "Mariachi" aus einem Preislied der Jungfrau Maria des Volkes der Cora aus Jalisco stammt, das mit den Worten "Maria ce son", zu deutsch: "Ich liebe dich, Maria" beginnt; für Spanier klingt dieser Auftakt wie "Mariachi son", also, "sie sind Mariachi".
Zu Beginn der 40iger Jahre hat der mexikanische Film die Mariachi international bekannt gemacht, den Hauptdarsteller und Sänger Tito Guízar in den USA und Jorge Negrete in Lateinamerika.
Die mexikanischen Einwanderer und Südamerikaner haben die Kultur der Mariachi in Europa verbreitet, indem sie die Musik auf Familienfeiern, in Bars und Restaurants und in Konzertsälen aufgeführt haben. In Spanien gibt es die meisten Mariachi Gruppen in Europa. Mittlerweile sind die Gruppen weltweit verbreitet, so findet man sie auch in Japan, Australien, Russland, Griechenland und vielen anderen Ländern des Europäischen und Amerikanischen Kontinents.

In der mexikanischen Stadt Guadalajara findet einmal im Jahr ein internationales Treffen der Mariachi Gruppen statt.
Zeitgleich mit dem Mariachi-Festival geht der nationale Charro-Wettbewerb (Campeonato Nacionald el Charro) über die Bühne. Dabei präsentieren sich die mexikanischen Charro-Reiter in ihren prachtvollen Anzügen in Umzügen und zeigen ihre Künste bei Reiterspielen, bei denen die Reiter ihr Geschick beim Lassowerfen und Einfangen des Viehs beweisen müssen. Im Mittelpunkt stehen die Konzerte und Aufführungen der Mariachi Gruppen aus aller Welt, die dort Wettbewerbe und Workshops durchführen in denen sie voneinander lernen und ihren Stil und ihre Technik verbessern.

Abschließend sagt Manolo zu mir:" Tut mir leid mein Freund aber ich muss jetzt gehen. Vergiss niemals, ein Mariachi mit ganzem Herzen zu sein."

Die Originalmusik der Mariachi sind die traditionellen sones, jaliscienses oder abajeños mit Musikstücken wie z.B. jarabe tapatío, el son de la negra, la Culebra, usw.

Anfang des 20. Jahrhunderts erreichten die Mariachi Gruppen Mexiko Stadt um Corridos und Lieder aus allen Teilen Mexikos aufzuführen. Die populärsten und berühmtesten nationalen und international bekannten Lieder sind Cielito Lindo und El Rey, Kompositionen des unvergessenen José Alfredo Jiménez:

Die Mariachi Musik ist nicht nur ein Musikstil sondern eine Art die Welt und die Menschen zu sehen und zu fühlen.

Artikel by Walter Trujillo

www.mariachi-oro-negro.de


DINO SALUZZI - NEUER TANGO -

"die Menge ist nicht ausschlaggebend für die Qualität, sondern die Sensibilität und Irrealität der melodischen Konturen, die seine Musik bei den Konzerten bestimmen, da wo Nostalgie und Melancholie sich für ein besseres Dasein und ein besseres Zusammenleben einsetzten."


Dino Saluzzi wurde 1935 in Campo Santo, in der argentinischen Nordprovinz Salta geboren. Sein Vater spielte Gitarre, Bandoneon und Mandoline, im Alter von sieben Jahren führte er Saluzzi in die Welt der Musik ein. Am Anfang spielte Saluzzi folkloristische Musik, bis er Jahre später durch den Einfluss seines Onkels neue Elemente in seine Musik aufnahm.

In Salta studierte er bei Martin Llorca, Jacobo Fisher, Negro de la Cruz und anderen Maestros. Die Bewegung "Neuer Tango", gegründet von Astor Piazzolla, setzte einen Meilenstein in der Entwicklung der Musik von Saluzzi. Auch wenn er es nie für wichtig hielt seiner Musik einen Namen zu geben, sagte er bei einer Gelegenheit: "meine Musik ist keine Kunst, sie ist auch nicht intellektuell, sondern eher emotional; der Versuch die Unendlichkeit der Gefühle auszudrücken".

Dino Saluzzi begann 1983 in Europa aufzunehmen, seine Musik hat den Geschmack der Anden, vereint mit asiatischen oder afrikanischen Rhythmen und wird durch zeitgenössische Elemente ergänzt. Saluzzi hat viele positive Kritiken erhalten, wie die des Gitarristen John Scofield, der meinte einen Musiker "mit einem wunderbaren und warmen Klang" gefunden und mit ihm in einem Duo gespielt zu haben. Saluzzi hat an wichtigen Jazz Konzerten wie in Montreal, Canada teilgenommen, wo er unter anderem mit den Pianisten John Hicks, Paul Bley, Larry Corryell spielte. Er ist zweimal von Al Di Meola eingeladen worden in der "World Sinfonia" mitzuspielen.


Aber die größte Sorge von Saluzzi ist, dass obwohl er ein anerkannter und respektierter Musiker in Europa ist, seine Musik in seinem Heimatland Argentinien praktisch unbekannt ist. Der Grund dafür ist die geringe Verbreitung der Musik von Künstlern die Peripherische Musikinstrumente, wie z.B. den Bandoneon, die Quena (indianische Flöte), den Dudelsack, etc. spielen. Vielleicht existierte bis jetzt noch kein Komponist der dem Bandoneon einen Ehrenstuhl anbot oder den Status eines Hauptinstrumentes in dem Sinfonieorchester verlieh.

Dino Saluzzi ist unter Vertrag bei dem Label ECM-Records, gegenwärtig arbeitet er an zwei musikalischen Projekten und wird demnächst eine CD mit einem Saiten Quartett als Interpret und Komponist veröffentlichen.

Seine CD "Mojotoro" ist, wie er selbst sagt, eine Spiegelung seiner Kindheit, Mojotoro ist der Fluss der Campo Santo in Salta durchquert. "Es handelt sich hierbei um die kulturelle Verschmelzung von Tango und argentinischer Folklore, bolivianischer Andenmusik und dem "uruguayischen Candombe", die Ideen werden aus den Zellen lateinamerikanischer Musik gewonnen, kontrapunktisch behandelt, wo eine melodische Linie sich mit einer anderen, von unterschiedlicher Textur und Farbe, verbindet.

Neben Mojotoro und Kultrum, existieren im musikalischen Katalog:
Once Upon a Time, Far Hawaii in the South (1985), mit dem Kontrabassist Charlie Haden, dem Trompetenspieler Palle Mikkelborg und dem Schweizer Schlagzeuger Pierre Favre, Andina (1988), mit Saluzzi in Bandoneon und Flöte und mit dem italienischen Trompetenspieler Enrico Rava, Volver (1988).

"Wir leben einen Jazz der im Tango wiedergeboren wird, er erhebt sich über die Folklore, über das Klassische; wühlt das Moderne und die exakte Improvisierung auf"

In seinem letzten Konzert, welches am 13. März 2003 in der Berliner Philharmonie - Kammermusiksaal stattgefunden hat, war das Berliner Publikum tief versunken im Bandoneon von Saluzzi, als würde es auf ein Zeichen warten, um die musikalische Reise durch den Neuen Tango, die Folklore und der improvisierten Melodien mit einem Hauch von modernen Jazz fortführen zu können und mit einer neugierigen "Cumparsita", der Hoffnungen ihrer Träume Flügel zu verleihen.

In den Augen der Zuschauer konnte man Bewunderung und Nachdenklichkeit erkennen, bewegende Gedanken machten sich präsent: "die Welt braucht eine universelle Musik, die Frieden und Ruhe ausstrahlt und unsere Umgebung mit Harmonie und Gleichgewicht ausfüllt".

Saluzzi schenkte uns seine Musik und er bedankte sich bei seinem nostalgischen Bandoneon mit einem Kuss. Man kann sagen, dass sein Musikinstrument sein drittes Auge ist, von dem die Noten, welche sich diskret von den traurigen Pupillen lösen, gegeneinanderprallen und im Rhythmus der verliebten Herzen pochen.

Text: Walter Trujillo
www.vulcanusweb.de
wtrujillo@vulcanusweb.de
Übersetzung: Jacqueline Cossio


Das Konzert der Harmonie

Die Musik bewegt sich wie eine Taube im Flug, sie wiegt sich im Wind, dreht sich, steigt empor und fällt, sie gleite still dahin und verwandelt sich in perfekte Harmonie.

Am Freitag den 23. April 2004 gastierte in der Berliner Philharmonie das Trio Dino Saluzzi, zusammengesetzt aus dem Argentinier Dino Saluzzi am Bandoneon, dem schwedischen Bassisten Palle Danielsson und dem argentinischen Gitarrenspieler José María Saluzzi. Im Konzert präsentierten sie Melodien aus ihrem neuen Projekt Album "Responsorium", Tangos, Chacareras und die argentinische Samba.

In dieser Nacht spielten sie Tango mit einem Hauch von Flamenco Jazz, mit der Mystik einer gregorianischen Messe. Ein Jazz an den Grenzen des Undefinierbarem, vielleicht mit einer Mischung von brasilianischen Rhythmen. Ein Tango mit argentinischen Wurzeln, ein wirklich neuer Tango.

Der erste Applaus war das Erwachen aus der spirituellen Reise am Rande einer Melodie von Saluzzi.

Die perfekte Harmonie resultiert aus der Mischung eines phantasierenden Bandoneons, einer träumenden Gitarre und einem Bass mit dem Klang eines verliebten Herzens. Melodien mit verborgenen Erinnerungen vergangener Generationen und Memoiren unsterblicher Musiker die gegen die Feinseligkeit kämpften, an unbekannten Orten zu verweilen. Es ist einfach eine Musik mit Herz und Seele.

Die Musik von Saluzzi ist Medizin gegen die Eintönigkeit und die Müdigkeit der Mienen.

Die Musik versteht sich als Präambel zum Aufstieg in den Himmel voller Sterne oder ins heilige Nirwana.

Saluzzi, der den Stil von Piazolla verherrlicht, widmet sich dem Genre des Neuen Tangos, er gibt ihm neues Leben, eine eigene Identität und einen privilegierten Platz innerhalb der bekannten Rhythmen.

Saluzzi spielte eine Musik bestehend aus Rhythmen und Noten die zwischen den akkustischen Panelen im Konzertsaal und den Ohren der Zuhörer hin und her schaukelte.

Die elegante und bestimmende Gitarre von José Saluzzi unterstrich die Gefühle und das poetische Leiden seines Vater in dem Moment wo dieser sein Bandoneon streichelte.

Eine Musik die für einige Momente sich in tief greifende Gedanken zu verlieren scheint, erhebt sich dann plötzlich, lebt, verbindet Harmonie und Geschwindigkeit, verwandelt sich in Wind und tobt bis zum Ausbruch des heiligen Vulkans.

Das Konzert endete mit der Samba "Viene Clareando" von Atahualpa Yupanqui.
Saluzzi erzählte: "Dieses Lied ist eine Ehrung, ein Abschied des Meisters Atahualpa Yupanqui, der in seinem Leben Musik nicht zum Erobern oder zum Blenden komponiert hat, sondern ganz einfach zum Erzählen".

Text: Walter Trujillo
www.vulcanusweb.de
wtrujillo@vulcanusweb.de
Übersetzung: Jacqueline Cossio

 

 


 

RAINER SIMON

Rainer Simon 14.7.06, Deutschland

Trezeguet, Zidane, Ronaldinho und Sebastian Deisler

Als Trezeguet am Elfmeterpunkt stand, ahnte ich, der kann nicht treffen. Ich sah es ihm an, und er tat mir leid, weil er es noch nicht wusste. Er hatte mir schon vorher Leid getan: Einer der besten Fußballspieler der Welt war ein ganzes Turnier lang von einem Trainer gedemütigt worden, dem die Verklemmung von Millionen europäischer Fußball- und anderer Lehrer auf den Leib und ins Gesicht geschrieben stand, ein Mann wie aus einem Horrorkabinett. Die Spieler gingen an ihm vorbei, als gäbe es ihn nicht, wenn er ihnen seine Macht demonstrierte, Zidane, zum Beispiel. Trezeguet blieb keine andere Wahl, als sich zu rächen. Er tat es nicht bewusst, sein Fuß tat es. Noch immer ist der Körper klüger als das Gehirn.
Zidane wird ihn verstehen.

Ich gebe zu, ich bin ein Fußballfan. Doch bei der Weltmeisterschaft wurde mir klar, am liebsten sehe ich die Spiele in Zusammenschnitten der Höhepunkte, denn solche gibt es immer weniger. Immer wieder setzte ich mich erwartungsvoll vor den Fernseher, drückte die Muting-Taste oder ging pinkeln, wenn ich von immer denselben Reportern und ihren Vasallen und von immer derselben Werbung terrorisiert wurde, (niemals werde ich dieses Bier kaufen oder in ein solches Speise-Etablissement essen gehen, es sei den es kommt die Zeit, wo mir gar nichts anderes mehr übrig bleibt, weil alle Konkurrenz ausgeschaltet ist).
Dann begann endlich das Spiel, und ich langweilte mich binnen kurzer Zeit.

Es wurde verteidigt, zugegeben gekonnter als früher, mit Computerprogrammen ausgetüftelt.
Canavaro, Zambrotta, Materazzi und Grosso und dahinter Buffon waren die besten Verteidiger, und Italien wurde zu Recht Weltmeister.

Als ich Kind war, spielte man das System: 2 - 3 - 5, zwei Verteidiger, drei Läufer, fünf Stürmer.

Daraus wurde 3 - 3 - 4 . Dann 4 - 3 - 3 . Dann 4 - 4 - 2 . Jetzt 4 - 5 - 1 .

Bei der nächsten WM wird man die Stürmer zu Hause lassen, Trezeguet, Raúl, Messi, auch Henry und Crespo, die dieses Mal noch spielen durften. Zauberer wie Christiano Ronaldo pfeift der Mob aus. Dann stürmt und rammt nur noch Rooney.
Armer Klose, armer Podolski.
Verteidigen heißt verhindern, es frustriert Spieler und Zuschauer.
Es war durchaus nicht zu erwarten, dass gerade die Deutschen die Ausnahme bildeten.
Dafür gebührt Klinsmann und seiner Mannschaft Anerkennung. Die Zuschauer begeisterten sich daran, dass endlich mal jemand etwas mit Freude tat und ohne Gejammer, Ausflüchte und Rückversicherungen. Niemand sollte darauf setzen, dass Politiker davon lernen können.

Ich verstehe Klinsmann gut, wenn er davon spricht, wie viel Kraft ihn das gekostet hat. Nun will er wieder leben. Leben besteht nicht nur aus Arbeit und Erfolg, besonders wenn man genug Geld hat.

Welcher den Körper zerreißenden Spannung die Spieler ausgesetzt sind, zeigte sich nach dem Halbfinale, als die Luft raus war und die Spieler reihenweise krank wurden, Ballack, Friedrich, Borowski, Mertesacker, der junge Kerl, musste gar sofort operiert werden. Wäre es zum Finale gekommen, ist mit großer Sicherheit anzunehmen, dass die alle gespielt hätten. Übrigens von Sebastian Deisler sprach niemand im Freudentaumel. Körperliche Krankheiten sind normal, aber seelische sind ein Makel. Bis heute wehrt sich die Schulmedizin mit allen Mitteln, anzuerkennen, dass auch die meisten körperlichen Leiden psychische Ursachen haben. Es war einmal ein Basti-Fantasti. Schade.

Nach der Partie Deutschland gegen Argentinien konnten die Südamerikaner der entweichenden Luft nicht Herr werden und benahmen sich wie gekränkte Kinder, obwohl ja nicht die Deutschen daran schuld waren, dass sie die Elfer nicht im Tor untergebracht hatten. Die FIFA lässt zwar keinen Videobeweis zu, wenn es um Tore, also um das Eigentliche geht, zieht aber Videos gern heran, um Exempel zu statuieren, so gegen Torsten Frings, obwohl der angeblich von ihm angegriffene argentinische Spieler gar nichts davon bemerkt hatte. Die alten Männer der FIFA halten die Schiedsrichter an, gelbe Karten zu verteilen, wenn ein Spieler wie Bastian Schweinsteiger beim Jubeln das Hemd vom Körper reißt, hat das mit Prüderie oder mit Homophobie zu tun? Wegen Jubel kann man gesperrt werden, wegen Tore schießen. Das ist krank. Dann besser nur verteidigen.

Bleibt die Frage, warum die Brasilianer keine Lust hatten, die Beamten der Viererkette spielten verbissen, wie sie es in Europa verlernt hatten. Der Legende Ronaldo versagten im ersten Spiel die Beine, wenigstens päppelte man ihn soweit auf, dass er sich später wieder bewegen konnte, Freude machte es ihm nicht. An Ronaldinho, dem Genialsten von allen, begeistert seit Jahren die Sportreporter, dass er immer lacht, behaupten sie, weil sie die anatomische Besonderheit seines fast immer offenen Mundes für ein Lachen halten.
Ronaldinho lacht nicht, das sieht man an seinen Augen, er grinst nicht mal.

Im Gegensatz zu anderen Spielen gab es für ihn auch gar nichts zu lachen.

Ich gebe zu, wogegen Ronaldinho, Ronaldo, Kaká sich wehrten, ich bin nicht dahinter gekommen. Vielleicht haben sie mit ihrem fernen Land, wo die meisten von ihnen in demütigenden Verhältnissen aufwuchsen, nicht mehr viel im Sinn, warum sollten sie auch. Sie werden nicht geliebt, weil sie Brasilianer sind, sondern weil ihre Beine zaubern können.

Dafür bekommen sie in Barcelona, Madrid oder Milano viel Geld.
Und sind der Armut entkommen.
Von den afrikanischen Mannschaften waren Ecuador und Frankreich die besten.
Für Ecuador spielten die Nachkommen verschleppter Sklaven.
Frankreich zehrt noch heute von seinen Kolonien.

Es gibt kein Ereignis auf der Welt, dass mehr Zuschauer hat als das Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft, Milliarden. Es ist die Bühne, auf sich aufmerksam zu machen. Keine Nobelpreisverleihung und kein Attentat erreichen eine solche Aufmerksamkeit. Vor solch einer Kulisse rastet einer der meist gerühmten Fußballer der Welt in seinem Abschiedsspiel aus, kurz bevor er zum zweiten Mal Weltmeister werden kann, rammt er dem Gegner seinen Kopf gegen die Brust, so dass der, ohne zu schauspielern, umfällt. Es ist wie ein Selbst-Mord. Lächerlich anzunehmen, dass ein paar Beleidigungen des italienischen Spielers das Motiv dafür waren - Anlass ja, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Zidane, der Nordafrikaner, und all seine Mannschaftskameraden afrikanischer oder arabischer Herkunft - ist wirklich anzunehmen, dass es sie alle kalt lässt, wie ihre Brüder an der Mauer Europa verrecken oder in den Slums von Paris und Marseille zum Verkommen verdammt sind?

Zidane hat bestimmt nicht an so etwas gedacht.

Sein Kopf hat getroffen, wie Trezeguets Fuß nicht getroffen hat, aus welchem Grund auch immer.
Die FIFA zeichnete Zidane trotzdem als wertvollsten Spieler des Turniers aus. Dafür dass die französischen Afrikaner verloren und Italien gewann, wo viele von ihnen ihr Geld verdienen. Zidane entschuldigte sich - bei den Kindern, bei niemand anderem.


 

Wie ein Leben zu Ende ging

Milco und Rainer Simon auf dem Rio Cayapas während der Dreharbeiten zu
" Ruf des Fayu Ujmu"

Das letzte Foto von Milco 9.3.06

 

Dokumentation der letzten Tage von Humercindo "Mico" Añapa Melchor,
geboren im März 1987, gestorben im März 2006

Ende des Jahres 2000 drehten wir gemeinsam mit Kameramann Frank Sputh, mit dem ecuadorianischen Filmemacher Alejandro Santillán und dem Schauspieler Christian Kuchenbuch mit den Chachi-Indianern, die am Rio Cayapas in Ecuador leben, nach einer ihrer Legenden den Film "Der Ruf des Fayu Ujmu", über einen bösen Geist, der den Indianern das Gehirn aussaugt.

Der damals dreizehnjährige Humercindo Añapa Melchor, von allen "Mico" genannt, ein wildes, fröhliches Kind des Urwalds, spielte eine Hauptrolle.

Im Frühjahr 2003, als wir den Film in Ecuador aufführten, lebte Mico, nun 16 Jahre alt, nicht mehr im Urwald, die Verlockungen der westlichen Zivilisation hatten ihn sein Glück in der Hauptstadt Quito suchen lassen, wie so viele junge Indígenas. Er arbeitete für 80 $ monatlich in einer Gärtnerei und freute sich sehr, als wir wiederkamen aus dem fernen Deutschland, dass wir ihn nicht vergessen hatten und ihn mitnahmen zu den Vorführungen unseres Films.

Auch während meiner Aufenthalte in Ecuador in den Jahren 2004 und 2005 trafen wir uns, und so hatte ich es auch für dieses Jahr vorgesehen.
Doch kurz vor meiner Abreise aus Deutschland schickte mir Samuel Añapa, ein dirigente der Chachi und seit Jahren ein guter Freund, mit dem wir unser Filmprojekt entwickelt hatten und der dabei auch mitwirkte, die Nachricht, dass Mico schwerkrank sei:

Quito, febrero 1 del 2006

Hola, mi gran amigo Rainer

Sabes? Sé que te va a doler el alma y el mismo corazón, pero tengo que decirte que tu gran amigo el actor chachi Miko, según versión confidencial de mi hermano el doctor, tiene VIH positivo y casi en etapa terminal.
Ayer estaba en una asamblea de la CONAIE y mi hermano, me llama para decirme esta terrible noticia y me dijo que iba ir a Quevedo, donde se habia llevado la mamá para traerlo a Quito y someter a pruebas de confirmación. Por ahora los gastos esta asumiendo mi hermano, y deseamos de veras que Usted con Frank y la fundación de ustedes, ahora más que nunca, nos apoyen para asistir a Miko y saber con seguridad qué hacer con él.
Realmente es triste saber semejante noticia, toda vez que recién es un muchacho que tendría toda la vida por delante.
Lo siento y sé que Usted comparte nuestro dolor.

Saludos

Samuel

Übersetzung:

Hallo, mein guter Freund Rainer,
ich weiß, Dir wird die Seele und das Herz schmerzen, aber ich muss es Dir mitteilen, dass dein guter Freund, der Chachi-Filmdarsteller Mico nach einer vertraulichen Information meines Bruders, des Doktors, HIV - positiv ist und schon in einem Endstadium.

Gestern war ich zu einem Treffen in der CONAIE, und mein Bruder rief mich an, um mir diese schreckliche Nachricht mitzuteilen, und er sagte mir, dass er nach Quevedo fahren wird, wohin die Mutter Mico mitgenommen hat, um Mico nach Quito zu holen und weitere Tests zu machen. Fürs erste wird mein Bruder die Kosten übernehmen, doch wir möchten gern wissen, ob Du und Frank und euer Verein, in diesem Fall wichtiger als jemals, uns helfen könnt, Mico beizustehen, um mit Sicherheit zu wissen, was mit ihm zu machen ist.
Es ist wirklich eine sehr traurige Sache, besonders weil es ein so junger Mensch ist, der das ganze Leben noch vor sich hätte.
Ich bedaure es sehr und weiß, dass Du unseren Schmerz teilst.
Grüße
Samuel

Meine Reise nach Ecuador war schon vorher für den 7.2. geplant, und ich sagte Samuel meine Hilfe zu. Von unserem von Frank Sputh geleiteten Verein "Lebendige Erde - Sacred Earth e.V." (www.sacredearth.de) konnte ich fürs erste 800 € Spendengelder mitnehmen.

Am 8.2. telefoniere ich mit Samuel in Esmeraldas, der Küstenstadt, wo er wohnt, 7 Stunden Busfahrt von der Hauptstadt entfernt. Am 9.2. kommt Samuel nach Quito, und wir rufen in Quevedo an, einer Stadt im Tiefland westlich der Anden, wo der kranke Mico jetzt bei seiner Mutter lebt, es wird vereinbart, dass Mico am folgenden Tag nach Quito gebracht wird. Aber sie bekommen keine Fahrkarten, und so wird die Ankunft auf Montag verschoben.

12.2. Mico kommt allein mit dem Bus abends in Quito an und übernachtet bei Freunden in Nayón, wo er einst in einer Gärtnerei gearbeitet hatte. Er weiß noch nichts von der vermuteten Krankheit, weiß nur, dass er Tbc hat.

13.2. Samuel bringt Mico zum HIV-Test.

Mittags treffen wir uns, Mico ist abgemagert, kaum wieder zu erkennen.

Er ist jetzt 18 Jahre alt. Als er mich sieht, fällt er mir um den Hals: "Papa!"
Samuel hat Mico im Hotel "Dorado" untergebracht. Mico legt sich ins Bett, hat Husten, die Lunge schmerzt, manchmal blutet die Nase, mal ist ihm kalt, mal heiß. Ich halte seine Hand und streichle seinen kurzgeschorenen Kopf und sein Gesicht, es scheint ihn etwas zu trösten. Wir erinnern uns an die schönen Tage unseres Aufenthalts im Strandhotel "Pura Vida" nach der Aufführung unseres Films am Rio Cayapas. Im Fernsehen ist von der bevorstehenden Fußball-WM die Rede. Ich hatte für Mico in Deutschland ein WM-T-Shirt gekauft - bevor ich wusste, dass er krank ist. Er hat es sich gleich übergezogen, damit liegt er nun im Bett.
14.2. Samuel und ich holen den Befund des Tests ab, die Bestätigung: HIV - positiv.

Samuel ruft seinen Bruder Oswaldo an, den Arzt. Er rät uns, sofort ins Hospital Vozandes zu gehen, wo es ein Hilfsprogramm gäbe und welches außerdem gute Beziehungen zum Volk der Chachi hätte. Ärztinnen dort klären Mico auf, welche Krankheit er hat. Er ist wie erschlagen. Sie sagen ihm auch, dass diese Krankheit nicht heilbar sei, nur zu lindern.

Mico erzählt mir dann, er hätte nur mit zwei Mädchen sexuellen Kontakt gehabt, ich weiß nicht, ob ich das glauben soll, ist auch nicht von Bedeutung, denn herauszubekommen, wo er sich angesteckt hat, hilft auch nicht weiter. Allerdings wäre es verheerend, wenn er wiederum andere im Urwald am Rio Cayapas infiziert hätte. Injektionen hat er keine bekommen, eine Ansteckung auf diesem Weg ist also auszuschließen.
Zurück im Hotel sprechen Samuel und ich eindringlich mit Mico, dass nichts verloren sei, dass er gegen seine Krankheit kämpfen muss, und wir ihm in diesem Kampf mit all unserer Kraft und auch finanziell beistehen werden.
"Quiero vivir", ich möchte leben, sagt Mico.

Ich bestelle das Abendessen aufs Zimmer, denn das Treppensteigen macht ihm große Mühe.

15.2. Wieder bei Mico im Hotel, nachmittags kommen Samuel und Ruth Rödel, eine pensionierte deutsche Lehrerin, die Mico vor drei Jahren, das Lesen und Schreiben beizubringen versuchte. Es tröstet ihn, wenn ich meine Arme um ihn lege und ihn streichle. Als ein Flugzeug vorbeifliegt, sagt er, dass er gern auch einmal fliegen möchte. Ich verspreche ihm, ihn nach Deutschland einzuladen, wenn er wieder gesund ist - und nichts hätte ich lieber getan, als dieses Versprechen eingehalten.

16.2. Früh Untersuchungen im Vozandes, wieder spricht eine Ärztin ausführlich mit Mico, äußert ihre Skepsis, wie eine Behandlung in Quevedo praktiziert werden könnte und weist auch daraufhin, dass man nicht wisse, wie Micos Verwandte auf die Krankheit reagieren werden, denn oft würden sich Familie und Freunde von den Kranken abwenden.
Gemeinsam mit Samuel rufen wir einen Schamanen an, aber er gibt zu verstehen, dass er in einem solchen Fall nicht helfen kann.
Da Mico immer größere Schwierigkeiten hat, im Hotel die Treppe hochzusteigen, wechseln wir in ein Zimmer weiter unten. Die Leute im Hotel fragen besorgt, was Mico hat. Wir sagen, dass die Untersuchungsergebnisse noch ausstehen.

Ich bestreiche Micos Energiezentren, vor allem den Punkt zwischen den Augen, es tut ihm gut, er hält still, bis er mit einem ruhigen Kindergesicht einschläft.

17.2. Früh um acht im Vozandes, jetzt untersucht ihn Dr. Vásconez, er vermutet Tbc, sagt, dass Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse und Lymphdrüsen angegriffen seien und bei anderen Organen sei dies nicht auszuschließen, deshalb sind weitere Untersuchungen notwendig, Röntgenaufnahmen, Blutentnahmen …
Es hat keinen Sinn, Mico länger im Hotel zu lassen, er wird jetzt in der Herberge des Hospitals untergebracht und im Hospital auch verpflegt. Die Zimmer sind einfach, aber sauber, die hygienischen Bedingungen in Klo und Duschraum aber miserabel, da diese auch von den Bauarbeitern genutzt werden, die den ganzen Tag mit Presslufthämmern direkt vor der Herberge arbeiten, Lärm und Staub. Im Nebenzimmer sind 5 Personen aus dem Küstenort Limones untergebracht, zwei freundliche, hilfsbereite schwarze Frauen, von denen die ältere krank ist, mit einem kleinen Mädchen und eine Mutter mit 12-jährigem Sohn, der wegen verkrüppelter Beine nicht gehen kann, nur auf Armen und Unterkörper rutschen, und wegen einer Therapie hier ist. Joselito heißt er. Er hockt vor Micos Tür und lächelt.

18.2. Früh in der Herberge bei Mico, er möchte nach draußen, und wir setzen uns auf die Mauer vorm Hospital. Er hat Lust auf Früchte und Eis.

Mittags fahre ich mit Alejandro Santillán zu dessen Schwester Rosa weit im Norden Quitos, die von einer AIDS-Stiftung weiß. Ihr Mann bringt uns zur Fundación Eudes, die HIV-Positiven hilft. Edison Porras, der Direktor, ist gerade 26 Jahre alt, sein Koordinator Edgar Pin ist 25 und selbst AIDS-krank. Er sagt uns, dass er in einem ähnlich schlechten Zustand wie Mico hierher kam, aber jetzt ist ihm äußerlich nichts von der Krankheit anzusehen, freilich hätten die Medikamente Nebenwirkungen und seien sehr teuer, ca. 1000 $ monatlich. Aber diese Gelder seien mit Hilfe der Stiftung über das staatliche Aidshilfeprogramm kostenlos zu bekommen. Die Stiftung macht einen sehr guten Eindruck. Das wäre die Lösung, Mico zuverlässig die notwendigen Medikamente zukommen zu lassen.
Nachmittags wieder zu Mico, die guten Nachrichten von der Stiftung erreichen ihn nur schwach, er klagt über Bauchschmerzen und Durchfall, da hilft nur streicheln, bis er einschläft.
Abends kommt Micos Onkel Luis aus Loma Linda am Rio Cayapas, damit ein Familienmitglied Mico Gesellschaft leistet, die Mutter kann nicht von zu Hause weg, da sie ein Baby und zwei weitere kleine Kinder hat.

19.2. Am Sonntagvormittag bringe ich Mico und seinen Onkel zum Ejido-Park, wo Mico gern hin möchte, früher hat er mit den anderen jungen in Quito lebenden Chachi-Indianern sonntags hier Fußball gespielt. Es wird sein letzter Spaziergang sein.

20.2. Von Frank Sputh erhalte ich aus Deutschland die Nachricht, dass er sich über unseren Verein um Spenden bemüht. Mico wünscht sich ein Radio mit CD-Player, um sich die Zeit in der langweiligen Herberge zu vertreiben. Ich fahre mit Samuel ins Zentrum, eins zu kaufen, ein Geschenk von Ruth Rödel und mir. Nachmittags kommt Edison Porras, der Leiter der Fundación Eudes, er spricht mit Mico allein und ist bereit, ihn sofort aufzunehmen, ein Glücksfall, wir verabreden uns für den nächsten Morgen, aber es verschiebt sich.

21.2. Wieder im Vozandes, es müssen neue Tbc-Tests gemacht werden, und wenn diese kein Ergebnis bringen, muss ein Eingriff gemacht und Mico muss hospitalisiert werden.
Micos Onkel fährt wieder zurück nach Loma Linda, eine Tagesreise, Familie und Arbeit warten auf ihn.
Mico hört Radio, er wünscht sich, dass ich Erdbeeren kaufe, "diese kleinen roten Früchte", aber vor allem geht es ihm gut, wenn ich ihn streichle, dann sieht sein Gesicht so sanft aus, als würde er die Krankheit vergessen.

22.2. Die Bauarbeiten finden jetzt direkt vor der Zimmertür statt, unerträglich laut und staubig. Ich bringe Mico zu einem weiteren Tbc-Test, wenn auch dieser ohne Ergebnis bleibt, muss Mico ins Hospital, das soll 500 $ kosten.
Abends Essen beim Deutschen Botschafter, Herrn Sproeth, dem ich von Mico erzähle und der Hilfevermittlungen zusagt.

Ruth Rödel und Charlotte Fellenberger haben Mico besucht, und da es ihm nicht gut ging, haben sie die Notaufnahme des Hospitals informiert und gebeten, dass in der Nacht die Ärzte nach ihm schauen, doch es ist nicht passiert.

23.2. Mico geht es sehr schlecht, in der Nacht hat er gebrochen und klagt über starke Bauchschmerzen. Samuel und Edison sind gekommen, in der Hoffnung, dass wir Mico in die Fundación bringen können, aber Micos Zustand macht das nicht möglich, er kann sich nicht mal bis zum Sprechzimmer bewegen, so dass Dr. Vásconez in die Herberge kommt und die sofortige Hospitalisierung anordnet, Mico mitzunehmen, sei lebensgefährlich. Nach Verhandlungen mit der Sozialabteilung und durch Fürsprache des Arztes werden die Kosten auf 100 $ reduziert. Bevor ein Zimmer frei wird, wird Mico schon in der kleinen AIDS-Station an die Schläuche gehängt, später bekommt er ein Einzelzimmer, abgeschirmt wegen Tbc-Ansteckungsgefahr. Untersuchungen finden statt, und am Nachmittag wird eine Bronchoskopie durchgeführt, eine Sonde wird in die Lunge eingeführt. Mico leidet schrecklich. Als er aus dem Behandlungszimmer kommt, wimmert und weint er vor Schmerz, ich halte seinen Kopf, weitere Schmerzmittel beruhigen ihn allmählich. Er fleht mich an, dass nie wieder eine solche Untersuchung mit ihm gemacht werde. Im Krankenzimmer hängt er an Schläuchen, bekommt auf diesem Wege Medizin, Nahrung und Sauerstoff.
Abends ruft der Deutsche Botschafter an und sagt mir, dass er mit Herrn Schäfer, dem Vertreter des Erzbistums München gesprochen habe. Er habe finanzielle Hilfe aus einem Notfonds zugesagt.

24.2. Mico wirkt ruhiger, weil ruhig gestellt. Die Tbc ist nun eindeutig diagnostiziert. Er soll bis Montag, den 27.2., im Krankenhaus bleiben, dann will ihn Samuel in die Stiftung bringen.

25.2. - 28.2. Ich verbringe das verlängerte Wochenende mit meinen Patenkindern, für die ich bisher kaum Zeit fand, auch Iván, der Sohn des vor zwei Jahren an einem Hirntumor verstorbenen Ricardo Chugchilán ist dabei. Es ist so schön wie immer mit ihnen.

An den Tagen, wo ich nicht in Quito bin, besucht Ruth Rödel Mico.


1.3. Mico ist noch im Hospital, Dr. Vásconez hat ihn am Montag noch nicht entlassen. Er nimmt die Tbc-Medikamente ein und klagt über Schmerzen im Rückgrat. Der Arzt meint, Mico müsse die Tbc-Medizin mindestens drei Monate einnehmen, und erst dann könne die AIDS-Behandlung beginnen, der AIDS-Test sei sehr schlecht ausgefallen sei, "estado final" und Organe, wie Leber, Milz und Bauchspeicheldrüse seien infolge der Immunschwäche stark betroffen. Mico ist sehr schwach. Ich bleibe noch ein Weilchen, sage ihm, dass ich ihn gern habe, und warte, bis er einschläft.

Frank Sputh teilt mit, dass in Deutschland erste Spenden eingegangen sind, von Wolfgang Hempel, Kathrin Waligura, meiner Tochter Jana, meinen Chemnitzer Verwandten ...

2.3. Eigentlich soll Mico heute in die Fundación entlassen werden. Ich bin deshalb mit Edison verabredet, aber er steckt irgendwo auf der Straße von Santo Domingo nach Quito fest. Mico klagt über starke Schmerzen und hat keine Lust zu essen. Ich fühle mich außerstande, den ganzen Papierkram für die Entlassung aus dem Hospital allein zu regeln. Alejandro kommt mir zu Hilfe, und wir erreichen, dass Mico noch einen Tag im Hospital bleiben kann.

Abends lese ich in der Asociación Humboldt in Quito aus meinem Roman "Regenbogenboa", aus meiner Autobiografie "Fernes Land" lese ich das Kapitel über die Dreharbeiten am "Ruf des Fayu Ujmu", wo ich Mico als 13-jährigen kennen lernte und sammle Spenden.

3.3. Gemeinsam mit Samuel, der wieder aus Esmeraldas angereist ist, und mit Edison und Edgar von der Stiftung holen wir Mico aus dem Hospital Vozandes ab. Ich befürchtete, dass uns wegen des längeren Krankenhausaufenthaltes eine horrende Rechnung präsentiert wird, aber wir müssen nichts weiter bezahlen. Samuel kümmert sich um die Papiere, die Kopien der Untersuchungsergebnisse, die Krankengeschichte, denn, wenn Mico in der Stiftung ist, wird die Behandlung im Staatlichen Hospital del Sur "Enrique Garcés" fortgesetzt werden, wo sie kostenlos sein soll. Mico ist so schwach, dass er sich nicht einmal allein anziehen kann.
Er kann nur noch im Rollstuhl fortbewegt werden.

Die Fundación Eudes hat ihren Sitz im Stadtteil Cotocollao weit im Norden Quitos, direkt unter der Startbahn des Flugplatzes, wenn ein Flugzeug startet, ist keine Verständigung möglich. In dem kleinen Haus leben zwischen 10 und 15 Patienten, von einem dreijährigen Kind, dessen Mutter infiziert ist, bis zu einem 60-jährigen, der ans Bett gebunden ist.

Mico bekommt ein Einzelzimmer mit TV, die Ironie des grausamen Schicksals, wahrscheinlich hat er noch nie in seinem kurzen Leben so komfortabel gewohnt.
Die jungen Leute kümmern sich auf beeindruckende Weise um Mico, sie kümmern sich darum, dass seine Wäsche gewaschen wird, sie werden Tag und Nacht um ihn sein, sie beginnen sofort mit den Einkäufen für die spezielle Diät, die Mico vom Hospital verordnet bekam. Beim Studieren der Testergebnisse, stellen wir fest, dass Micos Bluttest gar nicht so schlecht ausgefallen ist, 55 gute Zellen noch, Edgar hatte nur noch 36 gehabt. Wir schöpfen
wieder etwas Hoffnung.

Ich telefoniere mit Herrn Schäfer, und er sagt mir 1000 € Soforthilfe für Mico zu.

4.3. Mit Ruth Rödel in die Stiftung gefahren. An Micos Zimmertür ist eine Liste angebracht, wann er welche Medizin nehmen muss und die Liste seiner Diät, alles ist sehr gut organisiert. Wir fahren Mico im Rollstuhl in den kleinen Park vor der Stiftung, hier entspannt er sich etwas, wir fahren eine Runde zum Markt von Cotocollao. Dann sieht Mico Kindern beim Fußball zu, es gefällt ihm, und er sagt, dass er auch gern wieder Fußball spielen möchte.
Aber er wird jeden Tag magerer und schwächer.

Edgar kümmert sich aufopferungsvoll wie ein Bruder um Mico.

6.3. Nachmittags wieder zu Mico. Er hat sich von dem Geld, was er noch hatte, ein Handy kaufen lassen, um mit seiner Mutter telefonieren zu können. Ich zeige ihm Fotos von meinem Aufenthalt bei der Fiesta der Urwaldgemeinde Sarayacu vom vergangenen Jahr. Als er einen jungen Mann mit einem Gewehr sieht, sagt er, so eins möchte er später auch mal haben, für die Jagd. Carlito, der 19-jährige Junge aus dem Küstenort Machala, der für Mico kocht, begleitet uns auf der Rollstuhlausfahrt. Er ist HIV - positiv, aber die Krankheit ist bei ihm noch nicht ausgebrochen, er ist witzig und intelligent, und wir spielen uns die Bälle zu, um Mico etwas aufzuheitern. Er lächelt, wir überreden ihn, ein paar Schritte zu gehen. Als wir an einem CD-Verkaufsstand vorbeikommen, wünscht sich Mico Cumbia-Musik, die CDs kosten 1 $, Schwarzmarktware. Carlito meint, dass klassische Musik sehr gut sei zur Beruhigung der Kranken.

7.3. Mico ist umgezogen ins Zimmer von Carlito, der ihn Tag und Nacht betreut. Ich habe in meinem "Geschenkereservoir" eine CD von Bachs Brandenburgischen Konzerten gefunden. Was ich nicht erwartet hatte, Mico gefällt die Musik, er hört sich die ganze CD an. Ich zeige ihm mein Buch "Fernes Land" und übersetze ihm das Kapitel, wo auch über ihn geschrieben wird. Er sieht sich die Fotos an und blättert andächtig und sehnsüchtig, wie mir scheint, die Seiten mit diesen vielen Schriftzeichen durch, die zu lesen und schreiben er nie gelernt hat.
Er klagt über Schmerzen im Rückgrat, wir wissen nicht, ob sie nur vom Liegen kommen.
Er hat kaum Lust zum Essen, und Carlito und Edgar müssen all ihre liebenswürdige Überzeugungskraft aufbieten, dass er die Medizin nimmt.

Er wiederholt: "Quiero vivir", ich möchte leben.
Ich streichle seinen schmerzenden Rücken, bis er einschläft.
In der Stiftung ist er sehr gut aufgehoben. Wenn man solche prachtvollen Menschen wie Edison, Edgar und Carlito doch unter anderen Umständen treffen würde!

8.3. Als ich anrufe, überrascht mich Mico mit den Worten: "Me voy", ich gehe. Er hat mit der Mutter telefoniert und sie aufgefordert, ihn am Sonnabend abzuholen.

9.3. Ich besuche Mico, es ist wieder einer dieser schrecklichen Unwettertage in Quito.
Wir hatten ausgemacht, an diesem Nachmittag unseren Film "Der Ruf des Fayu Ujmu" in der Stiftung zu zeigen. Mico jammert vor Schmerzen, er wird trotz der Medikamente immer schwächer, aber er sagt: "Quiero irme", ich will weg und ist wütend, weil er selbst fühlt, dass er es nicht kann. Die Mama ist angeblich heute, am Donnerstag, schon in Quito angekommen, weiß aber gar nicht, wo sie die Stiftung finden kann. Samuel fährt also zum Busbahnhof am anderen Ende der Stadt und findet die Frau schließlich dort. Schon auf dem Weg hat er die Mutter überzeugt, dass es ganz unmöglich ist, Mico mitzunehmen.

Wir haben unterdessen den Film angesehen, und Mico hat sich gefreut darüber.
Die Mutter wird die Nacht über in der Stiftung bleiben.

10.3. Wir machen die Abrechnung mit Samuel. Er ist einer der indianischen Führer, die ich am meisten schätze, aber da er mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält, da er ehrlich ist und nicht korrupt, hat er es schwer, Arbeit zu finden, und Geld hat er deshalb so wenig wie Mico. Nach meiner Abreise, haben wir ausgemacht, wird Ruth Rödel die Spenden verwalten und mit dem von Herrn Schäfer bereitgestellten Geld die Kosten für die Stiftung bezahlen. Sie haben uns einen Kostenvoranschlag von monatlich 129,50 $ gemacht, wissend, dass wir über etwas Geld verfügen. Pro Patient rechnen sie monatlich mit Ausgaben in Höhe von 445 $.

12.3. Mico geht es sehr schlecht. Edgar sagt, nach der Abreise der Mutter sei Mico sehr deprimiert. Er wird immer schmaler, die Wangen sind eingefallen, er kann sich kaum noch aufrichten. Ich kann ihn auch nicht überzeugen, mit mir im Rollstuhl eine Runde zu drehen. Ich unterhalte mich mit Edgar, er nimmt täglich einen Cocktail von 35 Tabletten, die im Monat über 1000 $ kosten, jeden Morgen ist er im Internet, in der Hoffnung die Nachricht zu finden, dass eine Medizin gefunden wurde, die AIDS nicht nur lindert, sondern heilt. Vielleicht gibt es ja längst eine. Aber haben die Pharmakonzerne mit ihren Milliardengewinnen Interesse daran?

Für den nächsten Tag ist vorgesehen, Mico ins Hospital del Sur zu bringen, um mit den Ärzten dort, die weitere Behandlung abzustimmen und Mico in das staatliche Aidshilfeprogramm aufnehmen zu lassen.

13.3. Was zu befürchten war, ist eingetreten, sie müssen Mico im Hospital behalten.
Ich fahre mittags hin, dieses Mal weit in den armen Süden Quitos. Mico befindet sich noch auf der Notaufnahmestation. Edgar empfängt mich in der Infektionsabteilung, wo gerade ein anderer AIDS-Kranker, der sich schon im Koma befindet, von seiner Familie abgeholt wird. "Zum Sterben", sagt Edgar. Er erzählt, dass Mico am Morgen gesagt hat: "No quiero sufrir mas, quiero morir", ich will nicht mehr leiden, ich will sterben.
In diesen Tagen ist er 19 Jahre alt geworden.

Später bringt Edgar Mico im Rollstuhl nach oben. Den lautlosen Hilfeschrei in Micos Blick werde ich nie vergessen. Er hängt wieder an Schläuchen, er muss ins Bett gehoben werden. Ich frage ihn, ob er Schmerzen hat, er schüttelt den Kopf, ich frage ihn, ob er mir etwas sagen möchte, er schüttelt den Kopf. Unter den halb geschlossenen Augenlidern sind die Augen nach oben gedreht, so dass man nur das Weiße sieht.
Ich halte sein eingefallenes Gesicht in meinen Händen, ich streichle seinen Kopf.
Unter der Atemmaske, die ich tragen muss, kann ich die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Edgar wird die Nacht bei Mico im Hospital bleiben, dass hängt wohl auch damit zusammen, dass es in diesem staatlichen Krankenhaus viel weniger Schwestern gibt als im reichen Privatkrankenhaus Vozandes, das den amerikanischen Evangelisten gehört.

Am Abend treffe ich mich mit Ruth Rödel und Charlotte Fellenberger, um zu besprechen, wie sie Mico betreuen werden, wenn ich weg bin. Wir verabreden uns für den nächsten Tag, gemeinsam Mico zu besuchen.

14.3. Eine starke Erkältung hindert mich, ins Krankenhaus zu fahren. Edgar sagt am Telefon, Micos Zustand hätte sich stabilisiert. Am Nachmittag besucht ihn Ruth Rödel. Außer sich vor Erregung ruft sie mich danach an. Eine junge Ärztin, die weder Micos Krankengeschichte noch seine Testergebnisse kannte und auch von der Stiftung angeblich nichts wusste, hätte Mico mit einem Schwarm von Studenten visitiert und Mico hätte gestöhnt wie ein Tier. Ruth wurde von der Frau aufgefordert, Medizin und Watte zu kaufen, und wenn dies nicht geschehe, würde der Kranke eben nicht versorgt. Wir erfuhren dann, dass kurz nach Ende der Besuchszeit, Edgar wieder zu Mico zurückgekehrt war und sich um ihn kümmerte, auch um die benötigten Medikamente. Das Verhalten dieser Ärztin bleibt unverständlich, sagt aber einiges aus über die Zustände in solchen Krankenhäusern.
15.3. Der Tag meiner Abreise. Edgar ruft früh an und bezeichnet Micos Zustand als "estable", stabil, aber er hätte Probleme mit der Kehle und könne nicht schlucken und deshalb nicht essen, die vorgesehene Endoskopie der Milz würde nicht gemacht, sondern eine Radiomagnetografie.

Gegen Mittag ruft Samuels Bruder Oswaldo an: Mico ist tot.
Samuel befindet sich im Bus auf der Fahrt von Esmeraldas nach Quito.
Edgar bestätigt mir die Nachricht, Mico sei ruhig gestorben, sagt er.
Leere. Der Schmerz ist Leere.

Eine Stunde, bevor ich zum Flugplatz muss, kommt Samuel an. Er wird sich um die Überführung unseres toten Freundes in seine Heimat am Rio Cayapas kümmern. Er hat Micos Mutter schon informiert, und auch sie ist auf dem Weg nach Quito.

Meine Patensöhne bringen mich zum Flugplatz. Vor zwei Jahren war am Tag meiner Abreise ihr ältester Bruder an einem Hirntumor verstorben.

Am 18.3. schickt mir Samuel aus Esmeraldas die folgende Mail:

Hola, mi gran amigo Rainer!

Creo que por el momento no tenemos motivos para la alegría, pues, hemos perdido a uno de nuestros grandes amigos!

Para mí resulta triste seguir comentando lo de nuestro amigo, pero tengo que hacerlo para rendir algunos informes.

Creàme Rainer, que me resultó un problema llevar el cadáver de nuestro amigo a Borbón y se lo hice recién anoche como a las 9 de la noche a Borbón (viernes por la noche).
El miércoles que Usted se fue, no se pudo hacer mayor avance en los trámites. El jueves pensé sacar y llevármelo pero perdí el día en la consecución del carro y no pude conseguirlo. Pero este día, al final de la tarde cuando quise asegurar que el cadàver de nuestro amiguito "seguía" en refrigeración, me doy cuenta que desde el miércoles que había fallecido, lo habían dejado en una camilla en una esquina en una sala del hospital, como cualquier objeto sin valor. Què coraje, que me dió, pues habìa pensado que lo habían asegurado! Y como puedes imaginarte ya estaba empezando a descomponer el cadáver. Qué coraje y qué tristeza!
Bueno ayer tuve que contratar un carro como cerca de las doce del día, pues de mañana se perdió el tiempo en los trámites. Y me decían que tenía que sacar permiso de la Dirección Provincial de Salud, para poder movilizar el cadáver y cuando quise hacerlo, me salieron con tanta burocracia que ya bien molesto retiré el cadaver, una vez formolizado y me lo llevé sin permiso. Felizmente no tuve ningún problema con la ley y pude llegar como le digo a Borbón a las 9 de la noche. Allí me esperaban en una pequeña lancha que solo entraba el cadáver y el río estaba bien crecido, así que pienso que recién debe haber llegado el cadáver a Loma linda, hoy día sábado cerca del medio día.

Como tenía que contratar carro el día jueves, tuve el apoyo de las damas alemanas, que al principio hablaron con apoyarme con doscientos dólares, pero porque supuestamente yo iba a conseguir una ambulancia, solamente me apoyaron con 120 dólares. Es decir, tuve este dinero extra al que tú me dejaste Rainer. Sin embargo, creo haber gastado alrededor de 250 dólares o un poco menos en todo este movimiento, por lo que tengo algo de dinero sobrante.

Según lo que tú digas haré con el dinero que sobra de tu apoyo mi gran Rainer. Aunque a mí me gustaría asistir o ayudar a la mamá y a los hermanitos de Mico que, me parecen que está totalmente contagiado con el tuberculosis, hasta el padrastro. Me gustaría ayudarlos en hacer los exámenes y meterlos en el programa de tratamiento nacional del estado.

En todo caso, próximamente te enviaré los detalles de los gastos. Pues, apenas hoy tengo este tiempo de escribirte y poder un poco descansar de tantas preocupaciones.
Mil gracias gran Rainer, de veras mil gracias. En medio de la tristeza e impotencia que siento, me queda la satisfacción de haber batallado y entregado una gran parte de nuestra energía y tiempo por salvar la vida de un amigo, pero que la naturaleza y la ley de la vida, pudo màs que nosotros. Sé que igualmente tú diste todo de tu parte y que el gran apoyo que nos diste eran como para salvarlo, pero, lamentablemente la enfermedad estaba muy avanzado y al límite de todo lo posible.

Una vez más mi gratitud a tí y a Frank y a toda la colonia alemana aquí en Ecuador y en su país que de una u otra manera asistieron y brindaron su apoyo por este muchacho que perdimos, pero perdimos peleando.

Muchos saludos y abrazo

Samuel

Übersetzung:

Hallo, mein guter Freund Rainer,
ich glaube, momentan gibt es gar keinen Grund der Freude für uns, denn wir haben einen unserer guten Freunde verloren. Es ist für mich sehr traurig, das weitere über unseren Freund zu berichten, aber ich muss es tun.
Glaub mir, Rainer, was für ein Problem es war, den Leichnam unseres Freundes nach Borbón zu bringen, es geschah gerade jetzt erst um 9 Uhr in der Nacht, Freitagnacht.

Am Mittwoch, als Du wegfuhrst, bin ich mit den Formalitäten nicht mehr weit gekommen. Am Donnerstag wollte ich ihn wegbringen, aber ich verlor den Tag damit, ein Auto zu suchen.
Am Nachmittag dieses Tages, als ich mich versichern wollte, dass der Leichnam unseres Freundes gekühlt aufbewahrt wurde, merkte ich, dass der am Mittwoch Verstorbene auf einer Trage in einer Ecke eines Krankensaals gelassen wurde, wie irgendein Objekt ohne Wert.

Welcher Zorn mich ergriff, nachdem ich geglaubt hatte, was sie mir versichert hatten! Und wie Du Dir vorstellen kannst, begann der Körper sich schon zu zersetzen.
Was für eine Wut und was für eine Trauer!

Gestern gegen Mittag konnte ich dann ein Auto bekommen, den Vormittag hatte ich wieder mit Formalitäten verloren. Sie sagten mir, dass ich die Erlaubnis der Gesundheitsbehörde der Provinz benötige, um den Toten wegzubringen. Aber sie machten mir solche bürokratischen Schwierigkeiten, dass ich den Toten schließlich ohne Erlaubnis wegbrachte. Glücklicherweise gab es keine Probleme mit dem Gesetz, und ich kam schließlich 9 Uhr nachts in Borbón an.

Dort erwarteten sie mich mit einem kleinen Kanu, in das nur der Tote passte, der Fluss führte sehr viel Wasser, und so denke ich, dass er jetzt gerade, heute am Sonnabendmittag, in Loma Linda angekommen ist.
Um am Donnerstag das Auto zu verpflichten, hatte ich die Unterstützung der "Damas Alemanas", die mir erst mit 200 $ helfen wollten, aber als wir vermuteten, dass es mit einer Ambulanz funktioniere, mir schließlich mit 120 $ halfen.

Das heißt, ich hatte dieses Geld noch extra zu dem, was Du mir gelassen hattest (200 $). Ich glaube, ich habe etwa 250 $ ausgegeben oder etwas weniger. Es ist also noch etwas Geld übrig.
Ich werde mit diesem Geld machen, was du mir sagst, Rainer.
Aber ich würde gern Micos Mutter beistehen und helfen und Micos kleinen Geschwistern, die, bis zum Stiefvater, total mit Tuberkulose angesteckt scheinen. Ich würde sehr gern die Untersuchungen machen lassen und sie in das staatliche Hilfsprogramm eingliedern lassen.

In jedem Fall werde ich Dir in Kürze die Details der Abrechnung schicken, für heute reicht es, um nun ein bisschen von all diesen Sorgen ausruhen zu können.
Tausend Dank, Rainer, wirklich tausend Dank.

Bei aller Traurigkeit und Ohnmacht, die ich fühle, bleibt mir die Befriedigung, dass wir gekämpft und einen großen Teil unserer Energie eingebracht haben, um das Leben eines Freundes zu retten, aber die Natur und das Gesetz des Lebens waren stärker als wir. Ich weiß, dass Du von Deiner Seite alles getan hast, um ihn mit Deiner Hilfe zu retten, aber die Krankheit war schon zu weit fortgeschritten und jenseits der Grenze des Möglichen.
Nochmals meine Dankbarkeit an Dich und Frank und an all die Deutschen hier in Ecuador und in deinem Land, die diesem Jungen, den wir verloren haben, auf die eine oder andere Weise beigestanden und geholfen haben.
Wir haben ihn kämpfend verloren.
Viele Grüße und Umarmungen
Samuel

20.3. Wenn ich dies aufschreibe, erscheint es mir wie ein kleiner Trost, dass Mico nach Loma Linda am Rio Cayapas, in seinen heimatlichen Urwald zurückgekehrt ist, und nicht in einer dieser kühlen Steinwände der Friedhöfe von Quito oder Quevedo beigesetzt wurde.
Auch ein Trost - die Menschlichkeit der guten Freunde, die sich für Mico eingesetzt haben, Samuel Añapa, der nicht mit Mico verwandt ist, aber sich wie ein echter Führer seines Volkes verhalten hat, Ruth Rödel, die deutsche Lehrerin, die viele Stunden am Krankenbett Micos verbracht hat, Edison, Edgar, Carlito, die großartigen jungen Männer aus der Fundación Eudes, hoffentlich können sie gerettet werden.

Ich bin froh, dass ich in diesen letzten Tagen an Micos Seite war.

Rainer Simon

Ludwig-Richter-Str. 2 14467 Potsdam Tel/Fax 0331 2700358 E-Mail: rainersimonch2@t-online.de


Ein peruanischer Schamane in Berlin
Gerardo Pizarro



Berlin, Walter Trujillo, Oktober 2003, Vulcanus Productions.- Der peruanische Schamane, Gerardo Pizarro, der in Spanien lebt und aus einer Familie von Schamanen und Medizinmännern stammt, ist Nachkomme der Vor-Inka Kultur Mochica ¹. In der Konferenz "Tradition und Methoden" und dem "Mesa Ritual" in der Ufa-fabrik in Berlin, betonte er die Vitalität des seit über viertausend Jahren existierenden Schamanismus in Peru, die energetische Kraft dieser Medizin und die Aktualität und Bedeutung des Schamanismus für gesamte Menschheit.
Gerardo Pizarro hob hervor, wie wichtig es ist, das Gleichgewicht zwischen Geist, Seele und Körper zu erhalten. Er betonte, dass das Jahr 2002 das Jahr der Gegensätze und der Veränderungen ist: hier spricht man von zwei Kräften, die Seele und die Materie; von zwei Welten, das Bewusstsein und das Unterbewusstsein; zwischen denen der Mensch wie eine Brücke fungiert.

Er erklärte, dass viele Menschen sich heutzutage so fühlen als wären sie in ein Nichts eingetreten, wo Stress, Kummer und Verzweiflung die zivilisierten Gesellschaften gefangen halten.
Die Menschen sollen ihre Vernunft ruhen lassen, bat er, sie beherrscht und kontrolliert unser Leben. Stattdessen müssen wir mit dem Herzen handeln und das Erwachen und Wachsen unserer Spiritualität fördern, die in der Vergangenheit vergessen worden ist und einen zweiten Rang in den modernen Zivilisationen eingenommen hat.
Er sprach über die Kraft, die das Bewusstsein für den Menschen darstellt, die uns hilft, Kontakt zur Realität und zum Universum aufzunehmen, uns weiterzuentwickeln, in Gleichgewicht und Frieden zu leben.
Er schilderte die Notwendigkeit immer in der Gegenwart zu leben und nicht in der Vergangenheit, die durch viele gute und schlechte Ereignisse geprägt ist, und auch nicht in der Zukunft, weil wir diese noch nicht kennen.
Die Reaktionen der Zuhörer waren unterschiedlich, die meisten interessierten sich für die Wirksamkeit der Medizin, die Gerardo Pizarro praktiziert, die Nebenwirkungen und die psychischen Störungen die ein Mesaritual, welches er organisiert und leitet, verursachen können.

Gerardo Pizarro betonte, dass seine Rituale keine Heilgarantie versprechen, die positive Wirkung ergibt sich allein aus der Bereitschaft und der Willenskraft der Menschen, die ihre aktuelle Situation verändern und einen neuen Lebensstil beginnen wollen.

Was er jedoch garantierte, war, dass er während des Rituals die Menschen von negativen Energien, die sich ein ganzes Leben lang im Körper und Geist angesammelt hatten, befreien würde.


Das am 31 Oktober 2003 von Gerardo Pizarro durchgeführte Mesa Ritual, begann um 23 Uhr und verlängerte sich bis in die Morgenstunden, mehr als 50 Personen nahmen teil. Es war ein Ritual mit farbenfroher Musik, viel Bewegung, gekennzeichnet durch seine große energetische Kraft.

Die im Saal stehende heilige Mesa hatte zwei Anordnungen, auf der rechten Seite befanden sich eine Gruppe von Werkzeugen von Schamanen verschiedener Kulturen, die linke Seite war für die Gegenstände der Teilnehmer des Rituals vorgesehen, die mit der Energie der Mesa und der energetischen Kraft des Rituals aufgeladen werden sollten, um sie dann zum eigenen Schutz, für die Familie oder andere einsetzen zu können.
Das Ritual verlief in einer ruhigen und entspannten Atmosphäre, die Teilnehmer waren voller Zuversicht und Vertrauen. Zu Beginn wurde ein Tee aus 100 Kräutern, die aus dem Amazonas Gebiet, dem Gebirge und der Küste Perus stammen, getrunken.


Die Wünsche der Teilnehmer wurden auf weiße Blätter geschrieben und in zwei Behälter deponiert, die an den Seiten der Mesa standen; das, was man sich wünschte loszulassen in den linken und das, was man sich wünschte zu erreichen in den rechten Behälter. Diese Blätter wurden nach dem Ritual verbrannt.
Gerardo Pizarro, machte darauf aufmerksam, dass man das Ritual in die Richtung der Intelligenz lenken muss, es gehe darum Vorhaben zu bekräftigen, negative Gedanken zu eliminieren, Neues zu erschaffen, die Psyche zu konstruktiven Veränderungen anzuregen. Er sagte, dass wir unserer Psyche sehr nah stehen, doch, dass wir nicht wissen wie sie arbeitet weil sie eingesperrt ist, aber jetzt befreit wird. Wünscht Euch was ihr wollt und was ihr nicht mehr wollt, ohne an Leid und Schmerz zu denken, den wir empfinden werden, wenn wir das Negative loslassen.

Es wurde eine Meditation durchgeführt, die auf die persönlichen Probleme jedes einzelnen Teilnehmers gerichtet war, es wurden Atem-, Entspannungs- und Streckungsübungen gemacht, um die positiven Energien zu mobilisieren und sich von den negativen Energien zu lösen.
Der Höhepunkt des Rituals war die Reinigung, zuerst wurden die Teilnehmer mit Vulkansteinen am ganzen Körper entlang gerieben, wobei man die Aura² der Personen erkennen konnte.

Bei der Reinigungszeremonie, die mit zwei Holzstäben "chontas" durchgeführt wurde, entlud sich ein blitzartiges Leuchten, diese Blitze beinhalten eine Bedeutung, dessen Interpretation Gerardo Pizarro sogleich den Teilnehmern erklärte. Es konnten Ängste, körperliche Unstimmigkeiten, emotionale Probleme und vieles anderes sein.

Als Teil der Reinigung nahmen die Teilnehmer eine Gabe Cingeo zu sich, es ist ein Saft der in die Nase eingeträufelt wird und das Ausschwemmen von negativen Einflüssen unterstützt und den Körper, Geist und Seele belebt. Gegen Ende der Reinigungszeremonie wurde die Hierba del Dragón³ (Drachenkraut), eine fleischfressende Pflanze verteilt, die im Amazonasbecken beheimatet ist. Sie wirkt als eine Art Katalysator, nimmt die Unreinheiten des Körpers auf und beseitigt sie.
Gerardo Pizarro, versicherte zum Schluß, dass diese Arbeit viel mehr war, als der Anschein erweckt und weiter zurückging als zu unseren Vorfahren, die Vergangenheit steht in unserem Herzen geschrieben. Wir selbst entscheiden wie wir leben wollen und das bedeutet in Harmonie mit uns selbst und unserer Umwelt, sonst sind wir Fremde in unserem eigenem Haus.

Am nächsten Morgen waren die Leute glücklich, sie genossen das positive Gefühl rein zu sein und alles Negative hinter sich gelassen zu haben.
Als Schlussfolgerung könnte man sagen:
Der Schamanismus setzt dort an, wo die konventionelle Medizin aufhört zu existieren, dort wo Krankheiten behandelt werden und nicht der Patient, dort wo die Harmonie zwischen Körper und Geist gestört ist, dort wo die Vernunft die Entwicklung des Geistes verhindert, dort wo Stress, Angst und Kummer sich das Leben der Menschen bemächtigt hat.
Schamanismus bedeutet Gleichgewicht und Harmonie zwischen Körper und Geist, die perfekte Balance zwischen Mensch, Natur und Gott. Schamanismus ist mehr als Medizin, es ist das unverfälschte Zeugnis des kulturellen Überlebens der ältesten Völker des Planeten, eine Kultur, die immer in Harmonie mit der Natur, der spirituellen Welt und dem Universum gelebt hat.

¹ Die Vor-Inka Kultur "Mochica" war die am weitesten entwickelte Kultur im Norden von Peru, die Pracht ihrer Keramiken erzählen von der Lebensform, der Religion, Medizin, sexuelle Praktiken ihres Volkes. Die Mochica Kultur ist nicht nur eine der unglaublichsten spirituellen Manifestationen unserer Vorfahren, sondern sie ist der kulturelle Ausgangspunkt, der die Psyche der nachfolgenden Kulturen prägte.
² Die Aura: weiß zeigt sich in der ersten Schicht, blau repräsentiert inneren Frieden und Selbstvertrauen, schwarz bedeutet Angst, braun Krankheit, rot Intelligenz, gelb die Fähigkeit zu kommunizieren, grün Sicherheit und die Instinkte und violett die Spiritualität.
³ Durch die Einnahme des Drachenkrautes können Stresssituationen bewältigt werden, die Harmonie zwischen Körper und Geist wiederhergestellt werden, es verleiht Energie, Kreativität, Ausdauer, Selbstvertrauen, es beseitigt geistige und körperliche Erschöpfung und Schlaflosigkeit.



Wahrheiten zum erzählen...!!!


Ich bin sehr traurig.......!, das sind die Worte des peruanischen Schamanen Gerardo Pizarro, nach seiner Rückkehr aus dem Amazonasgebiet zwischen Peru und Ecuador, wo er seine ersten Meister besuchte. Er fand:


" Dass seine Meister vom ungerechten Handel ihrer Produkte gegen ein paar Münzen ermüdet waren, mit denen sie die Existenz der Familie zu sichern versuchten, um zwei oder drei mal in der Woche essen zu können oder um die Familie aus den Gebieten die nach Zerstörung, Terror und Hunger rochen, rauszuholen.
" Einen durch die multinationalen Erdölunternehmen, durch die Siedler und den Ausländern, die durstig nach Reichtum und schnelles Vermögen waren, schonungslos zerstörten Urwald.
" Ein demoralisiertes Volk, welches die seit über vierhundert Jahren existierenden Kenntnisse nicht mehr bekannt geben und auch nicht mehr zeigen will, weil sie Angst haben, dass ihre Kultur und Weisheit aufgekauft und den Meistbietenden verkauft wird.
" Kinder und Jugendliche die sich das Leben nehmen, weil sie niedergeschlagen und in ständiger Angst vor fremden Aggressionen und fremder Zerstörung leben. Diese Kinder gehören Völkern an und leben in Territorien wo blutige Kriege ausgetragen werden, die sie selbst nicht verstehen und akzeptieren können.
" Völker die zu anderen Zeiten mit den Pflanzen sprachen, die mit den Vögeln kommunizierten und mit den Götter zusammenlebten, verlieren ihre Mystik und Spiritualität, nach und nach verlieren sie ihre Gewohnheiten und Traditionen. Die jungen Leute interessieren sich nicht mehr für die Weiterführung der Traditionen und die Erhaltung der tausendjährigen Sprache der naturverbundenen Völker. Ihre Greise vertrauen weder den kühnen Weißen, noch den Siedler mestizischer Herkunft, um ihnen ihre Weisheit und Kenntnisse zu vererben.


Der Schaman erklärte: dort wo die Harmonie mit der Natur zerstört ist, gehen die natürlichen Sprachen verloren, die Krankheiten werden unbekannt, die Pflanzen hören uns nicht mehr.
In dem Moment sterben die Völker aus und die Kulturen verschwinden, speziell dann, wenn es sich eindeutig um spirituelle Völker handelt.

Er machte einen Aufruf um die indigene Bevölkerung des Amazonas zu unterstützen; ihre Medizin zu retten, offene Forums und Kongresse zu organisieren, bei denen man die Werte und das Reichtum der indigene Völker zeigen kann. Das Gebiet wo diese Völker leben als Schutzzone oder als natürliches Reservat zu deklarieren. Das Leben und die Kontinuität der Kulturen zu garantieren, die für uns Garanten sind, natürliche Indikatoren und Beschützer der Harmonie des Menschen mit der Natur und der Harmonie des Menschen mit den Universum.

Als Ergänzung zu dem vorher gesagtem, möchte ich noch folgendes zitieren:


Draining Black Mesa
they have forgotten the wind of life...
"The natural springs that were always there for us and for the animals that live there are gone, like the birds--they don't have water to drink any more so they went away. A lot of the birds went away."
(--Norris Nez, hataali [Diné medicine man] Coal Mine Mesa community)


Stalked and caught,
the slain land tumbles away in pieces,
bereft of the wind
that moves
on the face of the waters.
They have forgotten its call--
a small whisper,
the ear's shell catching a word,
the sigh of grass
under hollowed footprints.
The corn and melons are dry,
and sand blows from the table
where we eat.

WEB: GERARDO PIZARRO


DIE GESCHICHTE DER MARIACHIMUSIK

"Die Gefühle, die Erlebnisse, Sorgen und Freuden der Mexikaner
verstärken und laden sich auf mit Emotionen in den Liedern eines Mariachi"


Der Mariachi ist nicht die Erfindung einer einzelnen, definierten Person, sondern das Ergebnis einer kulturellen, religiösen und musikalischen Mischung, die sich vor dem Jahr 1500 ergab. Mit der Ankunft der spanischen Eroberer kam die christliche Religion und die religiöse Musik, welche eine Kombination der liturgischen Doktrin mit der einheimischen Musik hervorbrachte..

Es wurde anhand einer Akte (Kopie mit Kohle) eine Studie über die Sprache der cocas betrieben, in der man eine philologische Analyse der Texte macht. Es gehen zwei Theorien hervor. In der ersten bezieht man sich auf den Mariachi, indem man sich auf die Kenntnisse der coculensichen Indianer stützt, welche die Sprache coca sprachen, dass der Ausdruck Mariachi aus dem náhuatl, coca kommt und bedeutet: "Der Indio ist froh". Eine zweite Theorie, ein kleines Blatt Papier von der Akte abgelöst beinhaltete ein paar Zeilen in Handschrift, halb verwischt mit Ausdrücken in náhuatl, es ist das Fragment eines Lobliedes an die Jungfrau der Pila gleichbedeutend mit "Maria del Rio" das sagt:

"MARÍA CE SON"

"Motelpocahuan te cantarona María,
Tetelpocahuan te entonarahua,
María ce son...
Tlacaque Tonantzin ima,
Moyazca cantarohua pactoc.
Te cantarohua María ce son".


Wenn man den dritten und sechsten Vers beobachtet, findet man den Ausdruck: "María ce son", was die Indianer "María she" oder "shi" sehr weich ausprachen, und später das "son". Man folgert, daß Mariachi sich von María-she oder María shi ableitet und folglich, daß "son" Lied bedeutet : Mariachi und Lied aus Jalisco.

Die Mariachimusik hat einen indianischen Ursprung, vermischt mit der Musik der Mestizen und obwohl es keinen schriftlichen Hinweis gibt, existiert sie auf jeden Fall schon vor der französischen Besetzung. In den Anfängen wurde sie gebildet von einer Gitarre, Geige, vihuela und Harfe, diese Instrumente waren wichtiger Bestandteil der Volksfeste, Hochzeiten, Taufen und Familientreffen.

Die Texte der Mariachimusik sind an die Menschen vom Dorf gebunden, sie repräsentiert ihre Kultur, Folklore, die Art und Weise sich zu unterhalten und den Lebensstil eines Dorfes. Einige definieren es als Musik, die vom Himmel kommt.

Unter den berühmtesten Stilen von Mariachis gibt es die Cocula, Tecatitlan und La Sierra del Tigre. Im Jahre 1905 erschien der erste Mariachi in den großen Städten, das Cocula Quartett dirigiert von Justo Villa, der die ersten Platten mit Mariachimusik 1906 aufnahm.

1925 nahm der Mariachi aus Concho Andrade an der ersten Radioübertragung in Mexiko teil und 1926 machte Cirilo Marmolejo seine ersten Aufnahmen von Mariachi mit dem neuen elektrischen System.

Mariachibands, wie sie ursprünglich waren, beinhalteten nur Blasinstrumente, in den dreißiger Jahren fingen sie an, folgende Bläser zu benutzen: die Flöte, die Klarinette, den Sopransaxophon, die Posaune und das Horn.

In der Dekade von 1940 nahmen die Mariachis aus der Stadt von Mexico die Trompete mit auf. Der unvergessliche Pedro Infante nahm 1949 die ersten Lieder mit einem Mariachi mit zwei Trompeten auf, was großen Erfolg erreichte.

Indem sich die Mariachis ein wenig an den Einfluss des Jazz, der aufkam, und die kubanischen Musikstile anpassten, revolutionierten sie weiter weg die musikalische Form des Mariachi, im Jahre 1952 wurde die gesamte Zustimmung über den Gebrauch der Trompete im Mariachi festgelegt.
In den fünfziger Jahren setzte sich das Standardensemble der Mariachis aus 6-8 Geigen, einem guitarrón, einer vihuela, einer Guitarre, einer Trompete und der Harfe zusammen. Als der Mariachi Mexiko, von Pepe Villa, seine Platten aufnahm, stand die endgütige Anwendung der Trompete im Mariachi fest, in den sechziger Jahren spielten in den Bands schon zwei Trompeten.

Die Kleidung der Mariachis war anfangs eine "campirano"- Tracht, es bestand aus einer Stoffhose und einem Hemd aus demselben Material mit einem "palicate" um den Hals und ein Paar "huaraches".

Die Mariachimusiker machten ihre Musik nach Gehör, fast improvisiert oder sie waren Lyriker. Der Mariachi Vargas von weltweitem Ruhm wurde 1898 von Gaspar Vargas in Tecalitlan, Jalisco, unter der Führung von Silvestre Vargas, Sohn von Gaspar, gegründet, 1928 brachte er seinen Musikern das Notenlesen bei. Diese Gruppe prägte den Stil des Mariachi, indem es das musikalische Arrangement für viele Volkslieder standardisierte und auf die Anwendung der geschriebenen Musik bestand. Von hier ab verwandeln sich die Mariachiensembles in professionelle Bands von echtem Fleiß, die klassische Musik in Trios und Orquester ausführen.

Die Mariachis sind in der Lage, die Mexikaner Fortzutragen und träumen zu lassen in dem Land, das sie geboren werden sah, und ihre emotionsgeladenen Rhythmen und musikalischen Vibrationen bringen die Ausländer Mexiko näher, auch ohne Bezug zu diesem Teil der Erde zu haben.

Mit dem Auftauchen der großen Sänger des Jahrhunderts wie Lucha Reyes, Pedro Infante, Jorge Negrete und Lola Beltrán, José Alfredo Jiménez und Miguel Aceves Mejía.
Die Mariachis modernisierten sich und einer dieser Wechsel spiegelte sich in der Kleidung wider, hergestellt aus Tuch oder Baumwolle im Stil der Großgrundbesitzer. Die aktuelle Tracht erinnert an die "charros", aber sie tragen "botonaduras", "alamares" und elegante "botines".

Das Interesse an der Musik und Kultur der Mariachis bewegte sich nach Norden durch die Grenze in die Vereinigten Staaten und Europa, mitgebracht als Gepäck von den Einwanderern, zum großen Teil ermutigt durch die Anstrengungen von Künstlern wie Linda Ronstadt, die Bewegung des Mariachi in den Vereinigten Staaten ist stark und wachsend mit vielen Musikprogrammen durch das ganze Land und derzeit gibt es Mariachibands in allen Kontinenten, egal ob in Japan, Argentinien, Brasilien, Deutschland, etc.

In Berlin haben wir der Mariachi Sol Latino, eine Gruppe von sechs Mariachis, uniformiert mit prächtigen Kleidern typisch für einen Charro, dirigiert vom Maestro Jorge Saca, ein Spezialist der Materie, mit musikalischer Ausbildung und künstlerischer Erfahrung.
Diese Gruppe ist in der Lage zu vermitteln, zu singen und zu erzählen, in ihren Aufführungen halten sie eine enge Verbindung mit den Leuten, sie können ihr Publikum fühlen lassen und sogar zum Weinen bringen. Sie sind ein gutes Beispiel für das, was Mariachi ist und sie heben diese Musik in ihren Auftritten hervor.

In diesem Jahr glänzte der Mariachi Sol Latino seit Beginn mit einer Darbietung in der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin für den Stand von Mexiko, in der mexikanischen Botschaft in Berlin, bei Daimler Crysler, in der Mystery Park in der Schweiz (Idee von Erich von Däniken-Bestseller Autor) sowie anderen Galadarbietungen in : Theatern, Ausstellungen in ganz Deutschland und Europa.

Das Ziel des Mariachi Sol Latino ist es, die Kultur, die Bildung und die mexikanischen Wurzeln zu stärken, indem sie die Musik und das Image des Mariachi anhand von Aufführungen in Konzerten, Bilderaustellungen, bei Ehrungen an große Persönlichkeiten, internationalen Messen, Ausbildungsstätten, in Plätzen und Parks bereichern und würdigen. Um so die wahre mexikanische Musik zu garantieren, die Mexiko im Ausland repräsentiert.


Diese Musik ist so sehr unsere und so mexikanisch, es ist ein kulturelles Vermächtnis.
Der Mariachi interpretiert Musik aus Mexiko und ganz Lateinamerika.

 

  • Vihuela.- hat die Form einer Gitarre, aber mit 5 Saiten
  • Campirano.- Tracht oder Bekleidung eines Bauern oder die Tracht eines armen Charro
  • Palicate.- rotes oder weißes Halstuch
  • Huaraches.- einfache Ledersandalen
  • Alamares.- Knöpfe aus Horn, Knochen oder der Gämse gemacht
  • botines.- kurze oder tiefe Lederstiefel
  • Botonadura.- es ist ein schönes metallisches Spiel, entweder aus Silber oder Gold, das die Hose, die Jacke oder beides an der Tracht des Charro verziert.
  • Charro.- ist der mexikanische Cowboy oder der reiche oder arme Grundbesitzer

 


Kolumbien-Monatsbericht


Auswirkungen des Plan Colombia auf die Nachbarländer


von Bruno Rütsche


Für einmal sind sich die Regierungen der Nachbarländer Kolumbiens einig: Der Plan Colombia macht ihnen allen Kopfzerbrechen. Sie befürchten, der bewaffnete Konflikt, die Drogenproblematik und die Flüchtlingsströme könnten die ganze Andenregion erschüttern und auch in ihre Länder überschwappen. Die Regionalisierung des kolumbianischen Konflikts ist auch beabsichtigt - nicht von den Regierungen der Nachbarstaaten Kolumbiens, sondern von den USA. Diese möchten eine „Neuordnung“ der Andenregion nach ihrem Gutdünken.

 

Inhaltsverzeichnis:

Das einseitige Recht der USA auf Intervention

Eigeninteressen der USA

Die Situation in den Nachbarländern

Ecuador
Venezuela
Panama
Peru
Brasilien

Fazit


Das einseitige Recht der USA auf Intervention

„Was abläuft ist eine Erneuerung der Politik der Aufstandsbekämpfung unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung“, meint Daniel Bustamante, ehemaliger Offizier der Streitkräfte Panamas. Bustamante, Diplom-Absolvent der „School of Americas“, in der Generationen lateinamerikanischer Offiziere in Aufstandsbekämpfung und Foltertechniken geschult wurden, weiss wovon er spricht.  Er kennt das militärische Denken der USA. Für ihn ist die Sache klar: „Klar möchten die USA als grosser Gendarm in die Region zurück kehren. Doch dazu fehlt ihnen heute die Legitimität, die Kraft und die Moral. Mit der Rückgabe des Panamakanals und dem Rückzug des Südkommandos verloren die USA zwei Symbole ihrer Hegemonie. Doch sie geben sich nicht geschlagen. Jetzt, mit dem Fall des Kommunismus, dient ihnen der Drogenhandel als feindlicher Ideologieersatz. Den angeblichen Zusammenbruch der Institutionen in unseren Ländern nehmen sie zum Anlass, um die Notwendigkeit ihrer Rückkehr klar zu machen. Sie setzen Guerilla und Drogenhandel gleich, auch wenn der Drogenhandel von allen betrieben wird. In Peru und Bolivien gibt es keine Guerilla mehr, trotzdem geht dort der Drogenhandel weiter.“

Dass der Plan Colombia weit über Kolumbien hinaus reichende Ziele verfolgt, vertritt auch der bekannte kolumbianische Soziologe Alfredo Molano. Für ihn verfolgen die USA mit diesem Plan im Wesentlichen drei Ziele auf drei verschiedenen Ebenen:
Ein erstes Ziel ist die Erzwingung eines vom Establishment getragenen Friedensabkommens in Kolumbien, mittels der Aufrüstung und Modernisierung der kolumbianischen Armee durch die US-Militärhilfe. Mit der Guerilla soll nur über ihre Entwaffnung und Wiedereingliederung in die staatlichen Institutionen verhandelt werden.

Ein zweites Ziel ist die Erhöhung der militärischen Einflussnahme der USA in der erschütterten Anden- und Amazonasregion, um die sozialen Reaktionen auf die neoliberale Politik kontrollieren zu können. Für die USA ist die Entwicklung in den Nachbarländern Kolumbiens besorgniserregend: In Venezuela regiert mit Chavez ein sich klar den Interessen der USA widersetzender Präsident; in Ecuador haben die Indigena- und Bauernaufstände von anfangs 2000 die Kraft der Volksbewegungen deutlich gemacht und auch die Dollarisierung der Wirtschaft konnte dank dem Druck der Strasse bisher verhindert werden; in Brasilien haben die Landlosenbewegung MST und die Partei der Arbeit PT an Kraft gewonnen; in Bolivien hat die Ausrottung der Kokafelder zu massiven und anhaltenden Protesten geführt, deren Folgen noch nicht absehbar sind; und in Panama schliesslich mussten die USA ihre Stützpunkte und die Kanalzone räumen. Besonders dramatisch entwickelte sich die Lage in Peru. Fujimori, der das Vertrauen der USA genoss, sich vorerst mit massivem Wahlbetrug an der Macht halten konnte, stolperte über die schmutzigen Affären seines „siamesischen Zwillingsbruders“ Montesinos und ergriff die Flucht nach Japan. „Dies mag den USA recht sein, denn eine Unterstützung Fujimoris wäre kaum noch zu vertreten gewesen. Die USA will inskünftig demokratisch legitimierte Regierungen und Militärs in Lateinamerika“, meint dazu Humberto Ortiz, peruanischer Sozialwissenschafter.

Ein drittes Ziel sieht Molano schliesslich auf innenpolitischer Ebene in den USA selber. Der Druck puritanistischer Kreise soll mit der Bekämpfung des Drogenhandels, der als grösste Gefahr des inneren Friedens der USA dargestellt wird, abgeschwächt werden.

Die USA haben jahrelang nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus und nach dem Abzug aus der Panamakanalzone versucht, unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung eine lateinamerikanische, multinationale Eingreiftruppe zu schaffen und neue Armee-stützpunkte zu installieren. Ersteres ist aufgrund grosser Proteste der organisierten Zivilgesellschaft in Panamá gescheitert und dürfte auch mittelfristig kaum realisierbar sein. Die Inbetriebnahme neuer und der Ausbau bereits bestehender US-Stützpunkte ist jedoch in vollem Gange. Insbesondere auf den Inseln Aruba und Curaçao und im ecuatorianischen Manta sind die Stützpunkte ausgebaut worden und Ausgangspunkte für Überwachungseinsätze gegen den Drogenhandel. Der Widerstand holländischer NGOs gegen das Projekt in Aruba, welches Teil des niederländischen Kolonialbesitzes ist, war erfolglos. Dies zeigt die von uns seit Jahren kritisierte Inkohärenz europäischer Drogenpolitik. Was Zuhause für die KonsumentInnen/ProduzentInnen gilt - liberal-humanitäre Drogenpolitik - zählt nicht für die ProduzentInnen in Übersee. Man opfert diese auf Druck der USA, um im eigenen Land seine Politik weiterführen zu können.

Aufgrund der Unmöglichkeit, eine lateinamerikanische Eingreiftruppe auf die Beine zu stellen, scheint die USA nun dem regionalen Krisenherd Kolumbien mit der Aufrüstung der umliegenden Länder entgegen zu treten und die Armeen der Nachbarstaaten für eine mögliche Intervention aufzubauen. Dabei geht es ihr einerseits um die Lage in Kolumbien, andrerseits aber verfolgt sie damit auch Ziele in den einzelnen Ländern selber.
 
 

Eigeninteressen der USA

Kolumbien ist von signifikanter geostrategischer und regionaler Wichtigkeit. Es hat nicht nur Zugang zu Pazifik und Atlantik, eine enorme Biodiversität, fruchtbare Böden und bedeutende Bodenschätze, sondern es verfügt auch über beträchtliche Erdölvorkommen. Erst kürzlich wurde die Auffindung eines Erdölvorkommens von 200 Mio. Fass in Melgar, unweit von Bogotá bekannt. Kolumbien kommt heute in der Rangliste der Öllieferanten der USA an siebter Stelle. Die kolumbianische Erdölproduktion hat in den letzten 10 Jahren um 78% zugenommen und mitgeholfen, den gesteigerten Verbrauch in den USA zu decken.  Die USA befürchten den Zugriff auf Erdöl und Bodenschätze in Kolumbien zu verlieren und benutzen den internen bewaffneten Konflikt Kolumbiens nicht nur dazu ihre Interessen in diesem für sie wichtigen Land zu sichern, sondern sich auch in der ganzen Region neu zu verankern und ihre hegemonialen Interessen unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung durchzusetzen.
 
 

Die Situation in den Nachbarländern
 

Ecuador (586 km gemeinsame Grenze mit Kolumbien)

„Dies ist ein verfluchter Plan und ein Kriegsakt, dessen Folgen Ecuador besorgen.“ Dies sagt Bischof Gonzalo López von der Provinz Sucumbios, die an das kolumbianische Departement Putumayo angrenzt, wo der erste Militärschlag geplant ist. Tatsächlich ist Ecuador das Land, das unmittelbar am meisten vom kolumbianischen Konflikt betroffen ist und auch die Folgen des Plan Colombia am stärksten zu spüren bekommen wird.

Seit Jahren hat Ecuador politischen Flüchtlingen aus Kolumbien als Zufluchtsort gedient. Aber auch kriegsvertriebene Familien haben in Ecuador Unterschlupf gesucht und versucht, sich eine neue Existenz aufzubauen. Schon lange aber waren politische Flüchtlinge in Ecuador vor den Nachstellungen kolumbianischer Paramilitärs - teilweise mit Unterstützung der ecuatorianischen Sicherheitsdienste - nicht mehr sicher. Viele mussten ihre Flucht nach Europa oder in andere Länder fortsetzen.  Die Umtriebe kolumbianischer Paramilitärs wurden offensichtlich, als der ecuatorianische Abgeordnete Jaime Hurtado zusammen mit einem Cousin und einem Assistenten am 17. Februar 1999 in Quito erschossen wurde. Die Paramilitärs hatten Hurtado beschuldigt „ein Sympathisant der Guerilla“ zu sein.

Die Paramilitärs haben ihre Präsenz in Ecuador ausgebaut. Laut einem Bericht der kolumbianischen Zeitung El Espectador haben sich die Paramilitärs fest in Ecuador installiert und sind dort aktiv. Insbesondere in der Provinz Sucumbios haben sie Land aufgekauft, teils über Strohmänner oder unter Angabe einer falschen Identität.  Aus dem Putumayo geflüchtete Bauern wurden von der FARC darauf aufmerksam gemacht, dass die Provinz Sucumbios wegen der Paramilitärs nicht sicher sei und sie besser in einer anderen Region Zuflucht suchen sollten, „denn wenn hier die Paramilitärs weiter bleiben, wird es zu Kämpfen kommen“.

Doch auch die Guerilla, insbesondere die FARC, ist in Ecuador präsent. Über die grüne Grenze werden Waffen und Munition geschmuggelt und ecuatorianische Grenzorte sind Rückzugs- und Erholungsgebiete für die Guerilla.
Immer wieder kommt es aber auch zu Entführungen und Anschlägen, die der FARC angelastet werden. Bewaffnete Rebellen entführten am 13. Oktober 2000 im ecuatoranischen Amazonasgebiet einen Helikopter mit mindestens zehn ausländischen Ölarbeitern und flohen mit ihren Geiseln nach Kolumbien. Bei den Verschleppten soll es sich um sechs US-Bürger, zwei Franzosen, einen Chilenen und einen Argentinier handeln. Der ecuatorianische Vizepräsident Pinto sagte gegenüber der Presse, die FARC habe sich zur Tat bekannt. FARC-Sprecher dementierten dies und erklärten, militärische Einsätze ausserhalb Kolumbiens entsprächen nicht ihrer Vorgehensweise. Bereits ein Jahr zuvor war es in der Provinz Sucumbios zu einem ähnlichen Zwischenfall gekommen. Damals wurden zwölf AusländerInnen entführt. Für die Tat wurden die 32. und die 48. Front der FARC verantwortlich gemacht. Barry Mc Caffrey, damaliger US-Antidrogenzar, meinte entsetzt: „Zweifellos haben die Narcoguerillas diese BürgerInnen entführt.“ Die letzten Entführten kamen nach mehreren Monaten frei. Die Täter wurden nie identifiziert.

15 Tote und 25 Verletzte forderte ein Bombenanschlag auf eine Erdölleitung nahe der kolumbianischen Grenze am 13. Dezember 2000. Ein Bus, der in einiger Nähe vorbei fuhr, ging durch das in Brand geratene ausgelaufene Öl in Flammen auf. Drei Tage zuvor war bereits ein Anschlag auf die gleiche Ölpipeline verübt worden. Während der ecuatorianische Aussenminister Moeller jeden Zusammenhang mit Kolumbien bestritt, halten Beobachter es aber für möglich, dass der Anschlag eine Warnung der kolumbianischen Guerilla an Ecuador sein könnte.

Die Verstimmung der FARC mit der ecuatorianischen Regierung ist eine Tatsache. Erfolglos bat die FARC im November letzten Jahres um ein Gespräch mit Präsident Noboa. Dieser beorderte stattdessen 6'000 Soldaten zusätzlich an die Grenze zu Kolumbien. Zudem erhielt die ecuatorianische Armee eine sofortige Militärhilfe der USA von 65 Mio. US-Dollar für den Kauf von Helikoptern und Schnellbooten, um so den Grenzraum zu Kolumbien besser überwachen zu können. Über 300 Mio. Dollar sollen in den nächsten fünf Jahren folgen. Und vom US-Stützpunkt in Manta aus werden Aufklärungseinsätze in Kolumbien geflogen. Die Militärbasis ist jeglicher Kontrolle durch ecuatorianische Behörden entzogen. In Ecuador wächst die Kritik von Politikern, Menschenrechtlern und zivilen Organisationen an der Funktion dieser Basis. Mit diesem militärischen Überwachungszentrum sei Ecuador bereits an einem Konflikt beteiligt, der sich auszuweiten drohe, meinte ein früherer Offizier, und warnte die Regierung davor, dass die Basis in Manta zu einer Gefahr für die Stabilität des Landes werden könnte.

Bereits sind schätzungsweise 6'000 KolumbianerInnen aus dem Departement Putumayo nach Ecuador geflohen. Doch dies ist nur der Beginn: Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR riet Ecuador, sich für die Aufnahme von 20-30'000 Kriegsvertriebenen bereit zu machen.  Bereits sind provisorische Flüchtlingsunterkünfte gebaut worden. Bisher hat der Grossteil der Flüchtlinge in Familien Aufnahme gefunden.
 
 

Auswirkungen bis nach Europa?

Doch vielleicht reichen die Auswirkungen des Plan Colombia bis nach Europa: In der ersten Januarwoche dieses Jahres wurden bei einem Zusammenstoss eines Zuges mit einem Bus in der südostspanischen Provinz Murcia zwölf Landarbeiter getötet und drei weitere Passagiere des Busses verletzt. Sie alle stammten aus Ecuador. Der ecuatorianische Aussenminister Moeller hatte im Oktober mit Spanien ein Abkommen vereinbart, das die legale Einreise von 50'000 EcuatorianerInnen vorsah. Moeller meinte gegenüber der Presse, man dürfe die Auswirkungen des Plan Colombia nicht übertreiben und Ecuador dürfe auch keine Schuldgefühle wegen der Abwanderung von StaatsbürgerInnen haben, schliesslich bedeuteten deren Geldüberweisungen die zweitwichtigste Einnahmequelle Ecuadors...  Die Abwanderung, eine indirekte Folge des Plan Colombia?
 
 
 

Venezuela: Chávez, der Stein im Schuh (2'219 km gemeinsame Grenze mit Kolumbien)

Nicht nur das Verhältnis zwischen Chávez und den USA ist äusserst gespannt, sondern auch jenes mit der Regierung in Bogotá. Kolumbianische Politiker und Medien geizen nicht mit Anschuldigungen und Vorwürfen an die Adresse Chávez. Alfonso López Mi-chelsen, kolumbianischer Ex-Präsident und Mitglied des Führungsgremiums der Liberalen Partei, sieht es dramatisch: „Die Möglichkeiten von Chávez, kontinentale Störungen zu provozieren, sind enorm. Dies um so mehr, da ihm keine Grenzen gesetzt sind.“  Doch die Anschuldigungen gehen weiter: Chávez wird nicht nur Sympathie und ein gemeinsames politisches Projekt mit der kolumbianischen Guerilla vorgehalten, sondern auch direkte Unterstützung und Waffenlieferungen an die FARC. Bereits ist von einer Achse Havanna - Caracas - San Vicente del Caguán die Rede. Es wird also eine Verbindung zwischen Fidel Castro, Chávez und der FARC gezogen. So meinte López Michelsen im gleichen Interview, Chávez sei der lebendige Nachfolger von Fidel Castro.

Die kolumbianische Regierung liess mehrmals Treffen mit Chávez platzen und zog zeitweise ihren Botschafter aus Caracas zurück. Chávez machte aus seiner Ablehnung des Plan Colombia kein Geheimnis und sprach unumwunden von einem zweiten Vietnam. Kommt dazu, dass insbesondere die FARC in mehreren Erklärungen Chávez ihre Anerkennung aussprachen und diesen zu einem Nachfolger des grossen Befreiers Simon Bolívar empor stilisierten - auf den sich auch die FARC beziehen.

Was Verstimmung und Ärger zwischen Bogota und Caracas ist, grenzt zwischen Washington und Caracas nahe an offene Feindschaft. Die Liste der Verfehlungen, welche die USA Chávez vorhalten, ist lang: Er empfing Fidel Castro zu einem fünftägigen Staatsbesuch und vereinbarte Abkommen zur Lieferung von Erdöl zu einem Vorzugspreis; dann kam es zu einem Zwischenfall mit einem US-Patrouillenboot; am 10. August 2000 besuchte Chávez in offener Herausforderung der USA als erster westlicher Staatschef den irakischen Diktator Saddam Hussein und nach wie vor weigert er sich, den venezolanischen Luftraum für Drogenüberwachungsflüge zu öffnen.
Chávez wird für alles mögliche verantwortlich gemacht: Er soll den Aufstand der Kokabauern in Bolivien unterstützt haben und der flüchtige peruanische Geheimdienstchef Montesinos konnte ohne grössere Probleme in Venezuela einreisen und sich in Caracas einer Gesichtsoperation unterziehen.

Es ist klar, dass Chávez ganz besonders den Regierungen der USA, Kolumbiens und Boliviens ein Dorn im Auge ist. Auch wenn sich die USA öffentlich in Zurückhaltung üben, um den Anti-Gringo-Effekt in Lateinamerika nicht unnötig anzuheizen, ist es klar, dass sie Chávez im Auge behalten und wenn notwendig unter irgendwelchem Vorwand - und an diesen fehlt es ja nicht - dessen Sturz provozieren.

Die Umsetzung des Plan Colombia wird zweifellos die gespannte Lage zwischen den beiden Regierungen weiter anheizen. Über die Grenze von Venezuela laufen wichtige Nachschubwege der Guerilla und der Grenzraum dient dieser auch als Rückzugs- und Erholungsraum.

Eine Überschwappen des Konflikts droht auch von paramilitärischer Seite. Diese haben den venezolanischen Viehzüchtern ihre Unterstützung beim Aufbau von paramilitärischen Verbänden angeboten und den in Caracas Station machenden Guerillavertretern mit Anschlägen gedroht. Die venezolanische Regierung selber wurde als Beschützerin und als ein internationaler Akteur auf Seiten der Guerilla bezeichnet.
 
 
 

Panama (286 km gemeinsame Grenze mit Kolumbien)

Die knapp 300 km lange Grenze mit Panama ist fast undurchdringliches Dschungelgebiet. Trotzdem - oder gerade deshalb - ist die Grenze für den Schmuggel jeglicher Art von grosser Bedeutung. Das Gebiet hat durch die gigantischen Erschliessungspläne der kolumbianischen Regierung, die noch kaum ausgebeuteten Rohstoffvorkommen und Bodenschätze und die einzigartige Biodiversität an Bedeutung gewonnen. Dazu kommt die geostrategisch ausserordentliche Lage mit Zugang zu Atlantik und Pazifik.

Obwohl im Grenzgebiet zu Panama die kolumbianische Guerilla seit langem präsent ist, kam es lange Zeit zu keinen Konflikten mit der Grenzpolizei von Panama. Dies änderte sich mit der paramilitärischen Offensive in diesem Gebiet und der Vertreibung von rund 20'000 Bauern, von denen ein Teil in tagelangen Fussmärschen nach Panama flüchteten und später entgegen den Schutzbestimmungen zwangsweise nach Kolumbien zurück geschafft wurden. Seither ist es in der Grenzregion wiederholt zu Übergriffen der Paramilitärs gegen die Zivilbevölkerung selbst auf panamesischem Territorium und zu Kämpfen zwischen Guerilla und paramilitärischen Verbänden gekommen. Carlos Castaño, der Chef der „Vereinten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens - AUC“, erklärte die Beamten der Nationalgarde Panamas zu militärischen Zielen, da sie angeblich die kolumbianische Guerilla unterstützen, ihr Schutz gewähren und Waffen und Medikamente frei passieren lassen.

Panama ist sehr verletzlich und die Auswirkungen des Plan Colombia könnten für das Land fatale Folgen haben. Obwohl Präsidentin Mireya Moscosa darauf besteht, dass die Präsenz von US-Truppen in Panama der Vergangenheit angehöre, schätzt man die Zahl der für Logistik und Koordinationsaufgaben zuständigen US-Militärs auf rund 1000 Mann. Diese werden zwar ständig ausgewechselt, ihre Zahl aber bleibt konstant. Die innenpolitische Situation Panamas ist nicht stabil. Ein eventueller Flüchtlingsstrom oder die Grenzüberschreitung durch kolumbianische Guerilleros im Darién könnte leicht als Vorwand für eine Rückkehr von US-Einheiten benutzt werden. Dass Panama ein wichtiger Umschlags- und Durchgangsplatz für Drogen und schmutzige Gelder ist, über keine eigene Armee verfügt und nach wie vor von strategischem Interesse ist, sind ideale Ausgangsbedingungen um eine Rückkehr der US-Marines zu erpressen.
 
 
 

Peru (1'626 km gemeinsame Grenze mit Kolumbien)
Mit dem Abgang Fujimoris hat sich die Situation zwischen den beiden Ländern wesentlich verändert. Fujimori hatte wiederholt die kolumbianische Regierung aufgefordert, mit militärischen Mitteln die Guerilla zu beseitigen, sich offen gegen den Friedensprozess ausgedrückt und die Grenze zu Kolumbien militarisiert. Dass gerade er zusammen mit seinem Berater Montesinos in einen Waffendeal mit der FARC- nebst den Verbindungen zur kolumbianischen Drogenmafia, welche seinen Wahlkampf unterstützt haben soll - verwickelt ist, zeigt nicht nur seine Doppelzüngigkeit, sondern macht auch deutlich, welches Lügengebäude die Statthalter von Grossmachtinteressen um sich herum aufbauen. Beide - Fujimori und Montesinos - waren Vertrauensleute der USA, obwohl man über ihre schmutzigen Geschäfte bestens im Bild war. Der Waffenverkauf an die FARC scheint dann allerdings das Fass zum Überlaufen gebracht zu haben.

Das Grenzgebiet mit Peru umfasst äusserst dünn besiedeltes Urwaldgebiet. Es gibt eine konstante Migration von indigenen Völkern über die Grenze hinweg. Über Zwischenfälle oder besondere Vorkommnisse ist weiter nichts bekannt.

Welche Haltung die neue peruanische Führung gegenüber dem Plan Colombia einnehmen wird, gilt es abzuwarten.
 
 
 

Brasilien (1'645 km gemeinsame Grenze mit Kolumbien)

US-Aussenministerin Madeleine Albright versuchte bei ihrem Besuch im August 2000 die brasilianische Regierung vergeblich zu einer Unterstützung bei der Drogenbekämpfung und der Guerilla in Kolumbien zu bewegen. „Die möglichen Folgen des Plan Colombia auf Brasilien bereiten uns Sorge, dies sowohl im militärischen Bereich wie auch in Bezug auf den Drogenhandel. Wir haben keinerlei Absicht, an einer gemeinsamen internationalen Aktion teilzunehmen“, erklärte der brasilianische Aussenminister Lampreia nach dem Besuch.  Brasilien verweigerte der US-Aussenministerin die Zusage, die brasilianischen Stützpunkte an der Grenze zu Kolumbien für Operationen im Rahmen des Plan Colombia zu benutzen. Brasilien befürchtet in den blutigen Konflikt in Kolumbien verwickelt und zum Zufluchtsort von Flüchtlingen und Drogenhändlern zu werden. Schon heute benutzt die kolumbianische Drogenmafia den Weg über Brasilien zur Ausfuhr grosser Mengen von Kokain, das vor allem für den europäischen Markt bestimmt ist. Angst besteht in Brasilien aber auch, dass das Land mit seinen 165 Mio. EinwohnerInnen selber zu einem Markt für Drogen wird.

Brasilien bemüht sich mit eigener militärischer Aufrüstung dem Druck der USA zu entziehen. Die Regierung von Präsident Cardoso, die eine neue Führungsrolle in Lateinamerika anstrebt, lancierte im September 2000 den Plan „Gran Amistad“. Dieser sieht den Informationsaustausch und die Kooperation der sechs Länder Brasilien, Kolumbien, Peru, Ecuador, Panama und Bolivien vor, um gemeinsam gegen den Drogenhandel vorzugehen. Teil davon ist der „Plan Cobra“ zur stärkeren militärischen Überwachung der Grenze zu Kolumbien. Sieben Stützpunkte wurden neu eröffnet und eine Kommandostelle in Tabatinga, im Dreiländereck Peru - Kolumbien - Brasilien geschaffen. Nebst der Bekämpfung des Drogenhandels haben die Einheiten die Aufgabe, Übergriffe von Kolumbien her zu verhindern. Bereits 1998 war es zu einer schweren Verletzung des brasilianischen Hoheitsgebietes gekommen, als kolumbianische Kampfflugzeuge von Brasilien aus die Rückeroberung der Grenzstadt Mitú unterstützten, welche von der FARC tagelang besetzt gehalten worden war.
 
 

Fazit:

Der Plan Colombia, konzipiert von den USA, verschärft nicht nur in Kolumbien den Konflikt und erschwert die Friedensverhandlungen, sondern destabilisiert die gesamte Anden- und Amazonasregion. Diese Destabilisierung ist funktional für die USA, da sie über ihre zuverlässigsten Partner - die lateinamerikanischen Armeen - entscheidend an Einfluss in der Region gewinnt und ihre geschwächte Hegemonie unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung wieder stärken und ausbauen kann. Innenpolitisch führt die Stärkung der Armeen in den einzelnen Ländern zu einer verschärften Repression gegen Protestbewegungen - gegen den Neoliberalismus und dessen verheerende soziale Folgen - wie auch gegen ernst zu nehmende politische Alternativbewegungen.
 
 


Millionen von Deutschen lernen zum Jahresende
Aspekte von Bolivien kennen

Die sozialen Konflikte in Bolivien, die Situation der Kinder, die kulturell Vielfalt und einige Sportler beschäftigen zum Jahresende die deutschen Schlagzeilen in Artikeln und menschlichen Geschichten in Deutschland -hervorgerufen durch eng mit dem Land verbundenenm Personen.

Nachrichten über die Forderungen von Kokabauern, die in den Kreislauf Koka-Kokaina eingebunden sind, die vor einigen Wochen in der Zeitung Frankfurter Allgemeinen publiziert wurden, der Besuch des berühmten Modells Verona Feldbusch in ihrem Heimatland und Reportagen, die von dem berühmten Zeitschrift "GEO" gebracht wurden, beschäftigen die Aufmerksamkeit von Millionen von Fernsehzuschauern und Lesern. Unterdessen hoffen die deutschen Fans, dass das Pulver des Fußballers Erwin Sánchez beim Treffen mit Bayern München nächste Woche während des Europapokals feucht bleibe.

"Die Hälfte der Deutschen wissen nicht, wo Bolivien ist und die andere Hälfte kennt seine Traditionen und seine kulturellen Werte, aber noch nicht genügend. Daher glaube ich, dass diese Nachrichten notwendig sind, um diese beiden Länder miteinander zu verbinden, sagt der deutsche Journalist Philip
Keutner, Producer von Televisión Española. Er ist mit der Landsfrau Gloria Luz Reinaga de Keutner verheiratet.

Drogenhandel und Kultur

Die einflussreiche Zeitschrift "Geo" berichtet in ihrer Novemberausgabe mit reichhaltigen Farbfotografien, die den andinen Geist einfangen, über die Probleme des Drogenhandels in der Chapare-Zone, die Kultur des Dorfes bei La Paz Caquiaviri, die tropischen Yungas und die Vielfältigkeit in verschiedenen bolivianischen Städten.

"Bolivien ist eines der Länder, die mich am meisten durch seine Komplexität und durch seine Einfachheit beeindruckt haben", sagte der Journalist Christoph Kucklic in Berlin der Agentur ANF. Er hat zusammen mit dem Fotografen Christopher Pillitz Ekuador, Peru, Bolivien, Paraguay und Uruguay bereist, um persönlich mit den Protagonisten der Nachrichten zu sprechen.
Der zwei Meter große Kucklic, der gut spanisch spricht, schaffte es, die Wertschätzung der Bolivianer zu erringen und einige Züge ihrer Kultur kennenzulernen, wie den Karneval von Oruro und die "Entrada del Gran Poder".

Tränen, Zärtlichkeit und Show

Millionen von jungen Fernsehzuschauern und Hausfrauen, die gelegentlich gegenüber der südamerkinaischen Problematik indifferent sind, genossen eine Stunde lang am vergangenen Montag und Dienstag die Aktivitäten eines ihrer größten Idole, des bolivianischen Modells Verona Feldbusch im Programm
"Spiegel TV" des nationalen Fernsehsenders VOX.

In der Primetime zwischen 21:00 und 22:00 Uhr zeigte das Modell, die Umfragen entsprechend die begehrteste Frau Deutschlands ist, ihren Besuch in Cochabamba und La Paz, wo sie sich mit den höchsten Behörden traf und arme
Kinder besuchte.

Verona erzählte auf deutsch und einem durchschnittlichen spanisch, wobei sie ihren Pass zeigte, dass sie vor wenig mehr als 30 Jahren in La Paz geboren wurde. Die Mutter ist Bolivianierin und der Vater Deutscher. Mit neun Monaten nahmen sie sie in ihre neue Heimat mit. Hier erhielt seit ihrer
Jugend für ihre "exotische" Schönheit nationale und internationale Preise.
Später wurde sie dann Sängerin und eine der am höchsten bezahlten Modelle.Mit den majestätischen Landschaften Boliviens im Hintergrund trat Feldbusch zusammen mit dem Präsidenten Jorge Quiroga auf, begrüsste ihre "adoptierten"Kinder, weihte SOS Kinderdörfer ein und vergoß echte Tränen, als sie die dramatischen Geschichten von Kindern hörte, die Verbrennungen erlitten oder auf tragisache Weise ihre Eltern verloren.

Man sieht sie ebenfalls mit einem Poncho, der typischen Hochlandmütze und einem Lama am Titicaca-See. Mit Plastikstiefeln und einem gelben Bauarbeiterhrelm auf dem Kopf tanzt sie zusammen mit dem Bürgermeister von El Alto einen Huayno. Dabei wurden sie während der traditionellen "challa" (des andinen Brauchs der Einweihung) von Trommlen, Quenas und Panflöten begleitet.

"Ich glaube, dass das Teil der Public Relations Show von Verona ist, aber es ist dennoch wichtig, weil sie hier öffentlich die Deutschen um Spenden bittet, mit denen die Armut vieler Kinder gelindert werden soll", sagt der Journalist Keutner. Keutner, der vor einigen Jahren mehrere Reportagen in
Bolvien realisierte, sagte, dass das Land seine kulturellen Werte und seine Echtheit, die es charakterisiert beibehalten soll, die es ausserdem von einigen anderen Ländern Lateinamerikas unterscheidet und die es so besonders
für Europäer erscheinen lässt.

"Wenn Biolivien nicht seinen Karneval oder die Cancha von Cochabamba beibehält, wird es sehr viel verlieren. Es sollte auch seine Einfachheit und Ursprünglichkeit im positiven Sinne schützen - etwas das wir Europäer leider verloren haben".

Die Silvesterbombe

Nicht nur Bolivien ist in den Nachrichten präsent. An diesem Jahresende wird die "Bombe" der Gruppe Azu Azul in den Diskotheken für Furore sorgen. Auch wenn nicht das Originalthema gespielt werden wird, sondern das von anderen
Gruppen, wissen dennoch viele, das das Thema der Kreativität von Jugendlichen aus Santa Cruz entsprungen ist. Damit nicht genug. Viele Fußballfans, wie der Berliner Andreas Sieber, der sechsmal nach Oruro gereist ist und der Deutschbolivianer Daniel Ramirez werden aus der Nähe
verfolgen, was der Fußballer Erwin Sánchez von Boavista in der Schlüsselpartie des Europapokals gegen ein deutsches Team der ersten Klasse ausrichten wird.

TEXT: EDWIN PEREZ UBERHUAGA


"Knechte des Kapitals"
Ernst Diedrich


    Mit Abscheu erfahren wir fast täglich, wie Kinder von perversen Verbrechern sexuell mißbraucht werden. Schlimmer als die körperliche ist jedoch die geistige Vergewaltigung, wie sie von den großen Staatskirchen und Tausenden von Sekten durchgeführt wird. Diese bemächtigen sich der Kinder. Als hilflose Opfer werden sie zur Taufe geschleppt, damit sie als künftige Gläubige in die Fittiche der Pfaffen und Sekten kommen und dadurch lebenslänglich verurteilt und in ein Dogma gezwungen werden, das nichts anderes ist, als ein ausdrückliches Verbot, frei und bewußt zu denken.

    Was sind Kirchen? Darüber kann keiner besser Auskunft geben als der fromme russische Graf L. N. Tolstoj: "Die Regierungen und die herrschenden Klassen", so der Graf, "könnten nicht existieren ohne die Entartung des Christentums. Die Kirche mit ihrer Lüge könnte nicht existieren ohne die mittelbare und unmittelbare Gewalt der Regierungen oder der herrschenden Klassen. In den einen Staaten tritt diese Gewalt in Erscheinung in Form von Verfolgungen, in den anderen durch die direkte Begünstigung der besitzenden Klassen, die über Reichtum verfügen. Den Besitz des Reichtums aber sichert nur die Gewalt. Darum stützen sich Kirchen, die Regierung und die herrschenden Klassen gegenseitig".

    So deutlich zu schreiben, konnte sich im zaristischen Rußland nur der weltberühmte, reiche Graf leisten. Ein einfacher Bauer oder Arbeiter hätte dafür im Kerker leiden müssen. Wenn der Graf "die Kirche mit ihrer Lüge" beschrieb, so war und ist das eine harte Tatsache.

    Als Tolstoj lebte (1828-1910) hatte man schon so viel sicheres Wissen in Astronomie, Biologie, Chemie und Physik, daß die Bibel und ihre Schöpfungsgeschichte nicht nur völlig überflüssig, ja sogar schädlich geworden war. Trotzdem hielten die Kirchen am Vergangenen starrsinnig und dogmatisch fest, sie fürchteten die Bildung der Werktätigen. Die Mehrzahl der Pfaffen hatte eine gute Bildung und wußte deshalb genau, daß sie die einfachen Menschen belog. Ihr Beruf war und ist pure Heuchelei, heute mehr denn je, da inzwischen Wissenschaften und Technik nach allen Richtungen weiter wachsen und somit die Bibel täglich widerlegen. Vor einigen Jahrzehnten noch der erste Sputnik, Gagarin, danach die USA-Kosmonauten persönlich auf dem Mond - eine ganze Kette von Ereignissen, jetzt der Mars.

    Was aber ist Religion? Wo ist sie? Auf der Venus, auf dem Jupiter? Dazu einige Gedanken chinesischer Philosophen! Religion mit ihren Göttern und Engeln kann nur dort sein, wo es Menschen gibt, ohne diese ist keine Religion. Denselben chinesichen Gedanken zum Begriff der Seele: Es gibt unndlich viele Körper ohne Seele, wie z. B. Stein, Metall, Erde usw., aber nicht eine Seele ohne Gehirn, das menschliche Organ des Denkens.

     Als die weißen und christlichen Europäer mit den damals modernen Waffen die Menschheit im Namen Christi unterjochten, schändeten und abschlachteten, da vergaßen sie auch nicht die friedlichen, riesigen Büffelherden in den weiten Steppen der USA. Sie mordeten Millionen dieser Tiere, die die Lebensgrundlage der Indianer gebildet hatten. Raubend und mordend entdeckten die Christen Amerika. Darwin entrüstete sich zu diesen Verbrechen mit den Worten: "Wo immer der Europäer seinen Fuß hingesetzt hat, scheint der Tod den Eingeborenen zu folgen. Wir können auf die großen Flächen von Amerika, nach Polynesien oder ans Kap der Guten Hoffnung blicken, wir treffen auf das dasselbe Resultat." In Australien wurden die Eingeborenen von 300.000 auf 47.000 reduziert, in den USA etwa 30.000.000 Millionen Indianer ermordet, in Latino-Amerika noch viel mehr. Denken wir an die Eroberung von Mexiko! In Afrika durch den Sklavenhandel 100.000.000 ermordet und in Ketten nach Amerika verschleppt. Das Volk von Tasmanien wurde fast völlig ausgerottet usw. usw. Und das alles mit der Hilfe der Missionare im Namen Christi. Die Naturreligionen der Indianer waren frei und natürlich und nicht wie das verlogene, starre Dogma des Christentums. Der Indianer konnte einfach nicht akzeptieren, daß Gott sein eigener Vater, Sohn und heiliger Geist ist und sich selbst kreuzigen läßt, um die Menschheit zu retten, die gar nicht gerettet werden wollte, denn sie fühlte sich frei und wohl - bevor Europa kam.

    Der indianische Gott, die Sonne, verlangte keine dogmatische Unterwerfung, keinen Glauben und keine Gebete. Das sollen ihre (der Sonne) indianischen Kinder tun, wie sie wollen, glauben, nicht glauben, den Aufgang der Sonne, die Wärme und Licht bringt, mit hoch erhobenen Armen begrüßen oder nicht. Der Indianer war ein freier Mensch. Der Indianer ist mit der Natur, mit dem Universum verbunden. Er kann noch mit einem Baum oder Grizzlybären sprechen. Staunend lesen wir auch von der Naturnähe solcher ´Indianer', auf dem anderen Ende der Welt, in Sibirien in der Taiga, wo ein Taiga-Mongole eine russische Offiziersguppe durch den Urwald zum Eismeer führt und dabei auf einen Tiger trifft. Der mongolische Führer geht auf den Tiger zu, spricht zu ihm und bedeutet ihm, die Richtung zu wechseln. Und das Tier gehorcht. Wir Europäer haben all diese natürlichen Fähigkeiten verloren: Auto, Flugzeug, Telefon, Fernsehen, Eisschrank und vor allem Geld, Geld und Geld.

     Kolonialisierung und Missionierung - eine scheußliche Seite der Geschichte. Vergessen darf man nicht die andere Seite, nämlich wie die herrschenden Christen (Tolstoj) alle anderen Christen und Religionen besonders grausam verfolgt, und wenn möglich ausgerottet haben. Ja, die Kreuzritter brachten es sogar fertig, das orthodoxe Konstantinopel im Jahre 1204 auszuplündern. Und das alles im Namen Christi!

     "Glauben Sie etwa nicht an Jesus?", fragt mich entsetzt ein fanatischer Sektenprediger, ein Zeuge Jehovas. Meine Antwort: "Wozu soll ich glauben, wenn ich weiß, daß er tatsächlich gelebt hat. Keineswegs war er der, mit dessen Namen Sie hier herumalbern und den Weltuntergang zum zehnten Male voraussagen. Das, was Sie tun, ist gegen das 2. Gebot und Mißbrauch des Namens Christi, also eine grobe Sünde, dafür werden Sie in die Hölle kommen." Die Zeugen Jehovas haben sich seit dieser Auseinandersetzung nicht mehr sehen lassen.

     Wer aber ist Christus? Als Kind habe ich natürlich das geglaubt, was in meiner Familie vorherrschend war. Wie fast alle Mecklenburger waren meine Eltern Kirchenmitglieder, aber sonst war ihnen jede Frömmigkeit per Gebet, Lied usw. fremd. In allen Schulen gab es wohl Religionsunterricht, und im Konfirmandenunterricht war ich der beste Schüler, lernte vieles auswendig und war der Liebling des alten Pastors. Als ich jedoch 21 Jahre alt war, trat ich aus der Kirche aus, weil der hiesige Pfarrer das Hakenkreuz an seinem Anzug öffentlich durch die Straßen trug und so seine Hitlergesinnung provozierend zeigte. Nebenbei: Die Masse der evangelischen Pfarrer war immer auf der Seite der Reichen, der Junker und der Kapitalisten. Krieg und Waffen haben sie gesegnet und den Haß der Völker gegen einander tüchtig angeheizt.

     Wer aber ist ihre zentrale Figur Christus? Während meiner Landserzeit 1939-1945, als ich im Lazarett war, fand ich in einem Bamberger Antiquariat das 40seitige Heft Wer war Jesus?, das ungefähr folgenden Inhalt hatte: Er war demnach ein Essäer oder Essener, ein jämmerliches Menschlein wie wir alle. Die Essäer lebten in kommunistischer Gemeinschaft, wie es im Neuen Testament in der Apostelgeschichte gezeigt wird. Diese Bruderschaft wurde, wie andere auch, auf grausamste Weise vom Staat und später seinen Staatskirchen verfolgt, denn diese kommunistischen Gemeinschaften waren eine große Gefahr für die herrschenden Mächtigen und Reichen, für Papst, Bischof, Fürst, König und Junker.

     In Karl Kautskys Werk Vorläufer des neueren Sozialismus sind eine ganze Reihe dieser christlichen Kämpfer zu finden. Eigentlich reicht das Band bis zu den heutigen ´Theologen der Befreiung' in Latino-Amerika. Wer kennt sie? Schon in der Wer war Christus-Broschüre wird dargestellt, daß Christus wohl gekreuzigt wurde, aber nicht starb, weil die Essener meistens Ärzte waren und ihn heilen konnten. Er verschwand danach mit einer Karawane nach Indien. Zu diesem Thema gibt es noch andere Bücher: Starb Jesus in Kaschmir? Von Siegmund Obermeier oder Die Höhle am Toten Meer von Stoll. Der jüdische Römer Flavius beschreibt die Essener. Ihm zufolge sei der Dreieinige Gott der Christen vom Himmel herabgestiegen und weilt mitten unter uns als einer von uns. Auch deshalb ist jede Sekte, jede Kirche überflüssig geworden, die Menschheit kann riesige Summen an Geld und Vermögenswerten einsparen und damit den Hungernden und Leidenden helfen.

     Alle Kirchen und Sekten fuchteln gerne mit dem Tode herum, um die Menschen einzuschüchtern, das ist ein Angelpunkt der Religion. Danach ist dieses jetzige Leben unbedeutend, denn das "Ewige Leben" beginnt erst nach unserem Tode. Schon lange vor Christi hat sich der griechische Philosoph Diogenes v. Sinope (412-323) über die Todesangst lustig gemacht, indem er seinen Schülern bewies, daß er sofort nach seinem Tode zu seiner Leiche überhaupt keine Beziehung mehr haben konnte, weil es ihn, den Diogenes, gar nicht mehr geben würde. Wer nicht mehr ist, der ist wahrhaftig auf ewig befreit.

    Der Tod ist nicht, wie nach pfäffischer Auffassung, eine Strafe, ein schauriges Knochengerüst, sondern ewige Befreiung vom Leben, vor allem, wenn diese armselig und schmerzvoll gewesen ist. Der Tod ist nichts anderes als das absolute Nichtsein, er ist das Ende der Wurst, die Leben heißt. Der Anfang dieser Wurst heißt Geburt.

     Auch darin haben die Kirchen ihre schmierigen Klauen: Warum machten sie aus dem natürlichen Sex eine große Sünde, eingewickelt in viel Heimlichkeit? Warum dieses völlig sinnlose und wirre Getue um die Jungfernschaft und den lächerlichen Marienkult? Kein Wunder, wenn ein unbekümmerter, junger Freidenker spottet:

"Jedes Tierchen will sich paaren,
und das kleinste weiß es schon.
Nur der Mensch ist unerfahren
wegen seiner Religion."

    Wieviel Leid, Angst und Mord haben die Religionen - und nicht nur die christlichen -, wegen einer ganz natürlichen Sache über die Menschheit, besonders über die Frauen, gebracht! In der christlichen Religion besonders, aber auch in anderen, wie z. B. im Islam,ist die Männerherrschaft verankert. Die Frauen werden zu Sklavinnen herabgedrückt und der Vatikan ist ein Zentrum dieser satanischen Mafia. Vielweiberei ist immer eine scheußliche Knechtung der Frau und sie geht vom Alten Testament der Bibel aus. Den Weltrekord hatte wohl laut Bibel der weise und fromme Salomo mit seinen rund 1000 Frauen.

    Die Frau ist nicht nur Sexsklavin, sie wird auch in der Arbeit und in de Politik benachteiligt. Und jeder Papst oder Priester, der gegen die gegebene Richtlinie verstößt, wird vernichtet, so z. B. der Vorgänger des jetzigen polnischen Wojtila-Papstes unter dem Namen Paul II. Dieser ist die erste Auswahl von Weltbanken, CIA, Vatikan und Mafia, nachdem sein Vorgänger ein gefährlicher Versager im Sinne des Weltkapitals war. Dieser Vorgänger, Papst Paul I., Albino Luciani starb am 22.3.1986 nicht per Schierlingsbecher wie Sokrates 399 v. Chr., sondern per Digitalis, das man ihm in frömmster Absicht in seinen Morgenkaffee gemischt hatte. Auf diesem Gebiet hat der Vatikan viel, viel Erfahrung. Was sind die Ursachen seines frühen Todes nach 33 Tagen Amtszeit gewesen? Digitalis war nur das Mittel, die Ursache selbst war, daß er sich dem einfachen Volk verpflichtet fühlte. Das ist teuflisch kommunistisch. Und darüber hinaus wollte er den Frauen ihren eigenenKörper überlassen, besonders was die Geburtenregelung betrifft. Jeder Leser sollte besonders aufmerksam die Bücher der kämpferischen Frauen lesen wie Ute Ranke-Heinemann und Jutta Ditfurth. Der Kampf gegen die muffigen und intriganten Religionen ist auch ein Kampf zur Befreiung der Frau. Frau? Das bedeutet doch die eigene Mutter!

    Geht es es nach der jetzt herrschenden allgemeinen Wertvorstellung, so ist die Mutter nichts anderes als Sexobjekt und Gebärmaschine. Sie hat sich, frei nach Martin Luther, nicht um Politik zu kümmern, sondern der herschenden Klasse und ihrem Staate vor allem Soldaten und gehorsame Leibeigene zu gebären.

    Mein Vater war imWeltkrieg I an der Westfront als Soldat des Kaisers, ich und meine Brüder waren Hitlers Soldaten von 1939-1945. Wo blieb in beiden Kriegen der Krieg der Kirche gegen den Krieg? Nach der Lehre Christi hätten die christlichen Geistlichen von allen Kanzeln gegen den Massenmord laut und vernehmlich wüten und alle Menschen auffordern müssen, sofort diesen Wahnsinn zu beenden. Die Geistlichen sind schlaue und findige Wortklauber, sozusagen studierte Sophisten. "Der Krieg", so sagen sie, "ist eine Strafe für eure Sünden." Demnach macht Gott, der Alleskönner, die Kriege und nicht die Imperialisten. Henry Barbusse meint dagegen: "Der Krieg ist keine Strafe Gottes für euere Sünden, er ist eine Strafe für euere Dummheit. Wenn ihr den Krieg nicht wollt, gibt es keinen Krieg mehr." Und Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Lenin, Stalin, Mao, Onkel Ho u. e. a. meinen ferner: "Dreht die Waffen um, die man euch aufgezwungen hat und erschießt euere eigenen Kriegshetzer. Dann ist jeder Krieg aus!" Ergo, wenn die Arbeiter und die werktätigen Massen nicht wollen, dann machen die Imperialisten keinen Krieg mehr. Sie fürchten sich vor der Einheit der Massen. Darum arbeiten CIA u. a.auf die Spaltung hin. Ein vernünftiger Mensch kann also nur schlußfolgern: Alles, was auf unserem Planeten geschieht, ist ein Werk der Menschheit - erst recht der Kriege. Die Zerstörung der Umwelt, die Qualen unserer hungernden Menschenbrüder, der Faschismus in all seinen Formen und der bösartige religiöse Fanatismus, der so unendlich viel Jammer und Qual erzeugt hat, ist menschliches Machwerk. Ich denke an die Inquisition, Hexenverbrennung, Kreuzzüge und das Autodafé, besonders im feudalen Spanien, wo Juden, Mohammedaner, Freidenker wie Fackeln brannten und die spanische Herrenklasse zwischen den Schreienden und Jammernden amüsiert lustwandelten.    

    Niemals haben Freidenker, welche die Staatsmacht hatten, Gläubige verfolgt. Nur eines ließen sie nicht zu: die Kirchenfanatiker in staatlichen Schulen wirken zu lassen. Religion ist seit der bürgerlichen Revolution 1789 in Frankreich Privatsache, und das wurde durch die sozialistische Oktoberrevolution fortgesetzt. Auch in der Sowjetunion wurden die Pfaffen aus Schule und Jugendbewegung verscheucht. Andererseits gab es fast in jeder Dorfwohnung, seltener in der Stadt, eine religiöse Ecke für die Oma, wo sie beten und sich bekreuzigen konnte, so oft und so lange sie wollte. Da hing also in der Stubenecke entweder Christus am Kreuz oder es war die Heilige Jungfrau mit dem Baby. Bei uns in der DDR war es genau so. Ich bin lange genug Lehrer gewesen, um sicher darüber urteilen zu können., daß weder Geistliche noch gläubige Bürger bei uns oder irgendwo anders in den ehemaligen sozialistischen Ländern verfolgt wurden. Aber anders herum haben die Pfaffen, besonders in Polen, gehässig und verbrecherisch auf Geheiß des Vatikans gegen den sozialistischen Staat gehetzt. Dieses seid Untertan der Obrigkeit galt und gilt nur den Banken und Milliardären gegenüber, welche mit ihrer Intrige und verbrecherischen Hinterlist die ganze Menschheit nach der Losung aussaugen: "Deutsche Bank und deutsches Geld morden mit in der ganzen Welt."

     Wem es gelingt, die ganze dickleibige Bibel zu lesen, der tue es. Er findet darin viele Argumente gegen die Religion selbst. Die Grund genug sind, um eiligst aus der Kirche auszutreten. Selbst der große Gott, Jehova, Zahwe, Zebaoth und wie er sonst noch heißt, begeht ein Verbrechen nach dem anderen. Er müßte deswegen vor dem Völkergericht verurteilt werden.Goethes Reim wirkt hier erhellend: "Wie einer ist, so ist sein Gott. Darum ward Gott so oft zu Spott."

     Das weit kleinere ´Neue Testament` ist eine Gedankensammlung von kommunistischen Grundsätzen gegen die Reichen (= Mammon), gegen die heuchlerischen Pfaffen, gegen Haß und Krieg, es ist eine Lehre der Liebe. Man muß sich nur an Sprache und Art gewöhnen. War Jesus der 1. Kommunist? Wer nur das ´Neue Testament` gelesen hat, der könnte es bejahen. Aber wir wissen, daß die Menschen um Millionen Jahre älter sind. Die Behauptung des britischen Bischofs James Usher, daß die Schöpfung am 23. Oktober 4004, pünktlich um 9 Uhr begann, nachdem Jehova also gut gefrühstückt hatte, oder daß meine alte Bibel schreibt, Adam, als erster Mensch um 4000 lebte und ähnliche Witze mehr, wollen wir den Religionen gerne verzeihen, denn sie wußten nichts von den richtigen Zusmmenhängen. Erst als das Mikroskop (1590) und das Teleskop (1608) erfunden waren und nacheinander viele ander Hilfsmittel, sah man die Welt mit ganz anderen Augen. Aber die eigensinnigen Pfaffen wollten blind sein, während Kopernikus, Kepler, Galilei, Bruno, Mendel u. a. dazu beitrugen, das wirkliche Weltbild zu beweisen. Einige von ihnen wurden unter Qualen der Inquisition hingerichtet. Aber entscheidend ist, daß die vielen vorgeschichtlichen Religionen viele Züge aufwiesen, die dem Christentum glichen. Einige Beispiele:

  • "Sie drohen uns mit dem Finger, wenn wir unser Verschenkfest haben. Sie wollen uns sagen, daß arme Leute es sich nicht leisten können, freigiebig zu sein." (Lame Deer)
  • "Am meisten verachtet wird ein reicher Mann, der seinen Reichtum nicht austeilt - von ihm kann man sagen, er ist wahrhaftig arm." (Mekeel)
  • "Wie ihre großen Vorfahren werden die indianischen Völker zum Geist beten mit einer Liebe, die durch die Welt strömt, wie die sanfte Brise dem Großen Schweigenden in den Nadeln der Fichten ihrem Gesang singt." (Warriors of Rainbow)
  • "Der Weiße Mann spricht über Jesus, wir sprechen mit ihm." (Ausspruch eines Comanchen)

    Schade ist, daß die Bücher von Eva Lips, George Catlin und anderen Forschern nicht wieder neu verlegt werden. Wir sollten auch nicht vergessen, daß wir selbst, mit all unserem europäischen Rassenhaß und unserer Modernitätsmanie und Hochnäsigkeit aus dem schwarzen Afrika als Schwarze kommend, in den kalten Norden dringend durch die Jahrtausende unsere Hautfarbe verändert haben. Alle Menschen kommen aus dem Urkommunismus. Europäer sind schwarz gewesen.

    Unsere Mecklenburger wendischen Vorfahren lebten noch, wie fast alle wendischen Slawen, bis Rußland hin in Dorfgemeinschaften, die sie in langen Kriegen von 1131 bis 1161 wie die Indianer verteidigt haben. Die unwissenden Schweriner sind stolz, eine "Löwenstadt" zu sein, Heinrich der Löwe war aber der Häuptling einer Räuberbande, die slawisches Land eroberte und selbst Nonnenklöster überfiel und ausraubte. Überall in Mecklenburg fand man die Verstigia Leonis - die Spur des Löwen, bis dieser 1180vom Vatikan geächtet wurde.

     Die Klassenbilder in den Schulen sind so eindrucksvoll gewesen, daß man sie nie wieder vergißt. In einer Klasse war ein Bild des Bonifatius, wie er mit der Axt eine dicke Eiche umhackt. Motorsägen gab es noch nicht. Er hat also die Heilige Eiche umgehauen. Die Friesen aber haben ihn hinterher mit 53 seiner Pfaffen am 5. 6. 754 erschlagen und blieben somit frei vom verderbenden Christentum. Umgekehrt: 782 ermordeten die eifrigen Bekehrer 4500 Sachsenhäuptlinge bei Veren an der Aller. Wie fromm. Man kann sagen, daß die Missionstätigkeit ein bluttriefendes Verbrechen war. Das Resultat ist - global, daß nur 1/3 der gesamten Menschheit einer christlichen Kirche angehört. 2/3 der Menschen sind Glaubenslose oder gehören den vielen Tausenden von Religionen an.

    Nochmals zu den Indianern: Alle Menschen sind Verwandte. "Kommen auch eure Todfeinde, die Sioux, in euer Paradies?" "Ja", sagte sie zu meiner Verwunderung, "wir haben dir schon gesagt, daß nach dem Tode aller Krieg aufhört. Es gibt nur ein Paradies für alle Wilden und Heiden. Dort sind die Indianer alle Verwandte." (kitschi-Gami)

     Damit wollen wir unseren Ausflug ins Christentum und die Welt der Religionen beschließen. Die Welt wird nie ein einziges Dogma annehmen, es sei denn, es handelt sich bei diesem um freies Denken für alle Menschen, gleich welche Hautfarbe und Kultur sie auch haben. Es kann so sein, wie in China, daß zwei verschiedene Dörfer zwei verschiedene Religionen haben. Unter ihnen wird es Freidenker und Wissenschaftler geben. Streng verboten muß es im künftigen globalen Staat sein, Bekehrungsversuche zu machen und andere auszuschließen. Warum sollen nicht die jungen Leute von einem Ort zum anderen gehen, um dort oder dort zu tanzen, zu singen, sportlichen Wettbewerb zu machen? Aus den Schulen und Kindergärten muß die Religion raus, sie ist reine Privatsache.

     Die Menschheit darf sich nicht einseitig US-amerkanisieren lassen, sondern muß sich vielseitig, in schönster Buntheit weiterentwickeln. Religionen sind oft mit Kulturen verbunden. Das große Rom hat nie versucht, allen Völkern eine einzige Religion aufzuzwingen, im Gegenteil, die siegreichen Römer haben die griechische Religion angenommen und hatten gleichzeitig viele andere Religionen in ihrem Riesenreich. Und die Sowjetunion? Dazu Kalinin: "Man darf nicht vergessen, daß wir seiner Religion wegen niemand bedrängen. Wir halten sie für einen Irrweg und bekämpfen sie durch Aufklärung." Als ich in der Sowjetunion war, habe ich verschiedene orthodoxe Kirchen besucht, auch eine Moschee in Kasanj. Als Esperantist hatte und habe ich Freundschaft mit Islamgläubigen, mit Buddhisten u. a. Das gehört einfach zum Esperanto dazu. Ein Esperantoweltkongreß ist ein Treffen vieler Völer und Religionen. Esperanto existiert seit 1887, ein Gezänk zwischen Religionen und Kulturen hat es bei uns nie gegeben. Die gemeinsame Sprache erzieht und verbindet uns. Je bunter die Weltkongesse sind, desto schöner.

     Ich abonniere die chinesische El popola Cinio und freue mich über die bunten Farbaufnahmen und Berichte, die die religiöse und kulturelle Vielfalt der Völker und Stämme dieses Riesenreiches wiedergeben. Wie in Rom, wie in der Sowjetunion, wie in China: In der Menschheit wachsen Völer, Kulturen und Sprachen zusammen, bis es zuletzt gar keine Weißen, Neger, Indianer, Mongolen, Inder oder Juden geben wird. Wunderschöne neue Menschen, durch die Mischung entstanden, werden fröhlich und lachend im irdischen Menschenparadies leben. Wir müssen vor allem nur sehen lernen. Rassenideologie ist Rückschritt und Inzucht ist gegen die Gesetze des Universums gerichtet.

    Wann das sein wird? Wir könnten morgen früh um 9 Uhr, nach James Usher, damit beginnen. Aber wir müssen mit der Verrücktheit und Blindheit der Menschen rechnen. Schon Voltaire (1694-1778), der antikirchliche Philosoph, schrieb: "Ich fürchte sehr, man werde unsere kleine Erdkugel für das Narrenhaus der Welt halten." Bernhard Shaw hatte den selben Gedanken: "Die Erde ist das Tollhaus des Universums."

    Diese harten Urteile sind kein Wunder, seht die geschriebene Weltgeschichte von 5500 Jahren. In dieser Zeit sind in 14.000 Kriegen 4 Milliarden Menschen erschlagen worden.. Von den Verwundeten und dem materiellen Schaden wollen wir gar nicht sprechen. Aus alledem hat der Mensch nichts gelernt. Weiterhin wird Massenmord praktiziert, Millionen lassen wir seelenruhig verhungern, obgleich Berge von Lebensmitteln und Waren unverkauft lagern oder vernichtet werden. Lauter Verrrückte: Die einen, welche die Macht haben, und die anderen, die hündisch gehorchen. Und die Dritten, die blind sind, obgleich sie Augen haben.

    Das Weltgesetz unseres Universums ist nicht Haß, sondern Liebe. Haß ist geradezu eine Manie, eine bösartige Hirnkrankheit, welche dem neugeborenen Kinde nicht mitgegeben ist, sondern durch die Erwachsenenwekt anerzogen wird; hinzu kommen noch die hochmodernen Kommunikationsmittel, die in den Händen der herzlosen Menschenhasser sind. Sie sind es auch, die die Kriege anstiften, weil sie daran super verdienen. Der ehemalige Staatspräsident von Venezuela Carlos Anders Perez zu diesem Thema: "Die Banken haben elektronische Gehirne, aber kein Herz und keine Seele, darum kümmern sie sich nicht um die sozialen Realitäten."

    Wie jeder sieht, geht die Entwicklung weiter. Die Menschheit wird Roboter haben, die besser, klarer und logischer denken können als die Menschen selbst. Die heutigen Computer sind in der Mathematik den Menschen sowieso überlegen, und wir, die wir nicht blind sind, erkennen die Entwicklung auf diesem Gebiet. Ohne Roboter wird die Menschheit nicht weiter ins Universum vorstoßen. Wobei wir nicht vergessen dürfen, eine sich zankende, im gegenseitigen Haß bekämpfende und sich zerreißende Menschheit wird überhaupt nichts mehr erreichen, außer den eigenen Untergang herbeizuführen.

     Zum blinden und falschen Denken kommen die Menschen nur durch ihre Mittelpunktsmanie. Prof. Haeckel meint hierzu: "Der eitle Wahn, daß der Mensch der Mittelpunkt der irdischen Natur sei! Nur wenig Menschen können sich in die Unendlichkeit von Raum und Zeit hineindenken." Die Erde ist nur ein Krümelchen im Weltall. Aber wir Menschen schwätzen klug wie die Spatzen im Pferdemist. Ein so weise daher zwitscherndes Spätzlein ist nur in der Gemeinschaft stark. Der reichste und mächtigste Multimilliardär ist nur in der Menschengemeinschaft stark und seine Milliarden hat er mit List und Gaunerei aus seinen Menschenbrüdern herausgesogen. Soll er seinen Raub behalten (privare = rauben, privatum = das Geraubte), mit all seinen Dollars und Aktien soll er auf eine einsame Insel ausgesetzt werden und darüber nachdenken, ob man Geld auch essen kann.

    Seit Jahrzehnten habe ich Verbindung mit den frommen Hutterern. Als ich Karl Kautskys Werk Vorläufer des neueren Sozialismus las, fiel mir auf, daß es eine Gemeinschaft christlicher Kommunisten gibt, nämlich die Hutterischen Brüder, deren Anfang im Jahre 1529 liegt. Am Ende des vorigen Jahrhunderts existierten sie noch in den USA. Kautsky beschrieb ihr Leben, ist aber der Meinung, daß sie inmitten der kapitalistischen Umwelt keine Zukunft hätten. Seine Meinung paßte mir nicht, denn wer Jahrhunderte hindurch standgehalten hat, der müßte noch existieren. Also beschrieb ich den Zusammenhang und erklärte meine Meinung hierüber in einer kanadischen Esperanto-Zeitung, die damals weltweit gelesen wurde. Nach ein paar Wochen kam ein Brief von den Hutterern aus Paraguay. Dorthin hatten sie ihren Bruderhof verlegt, weil sie wegen ihres Pazifismus aus den USA verjagt worden waren. Der Kontakt blieb, bis sie sich aus Michelshof bei Birnbach irgendwann nach 1945 meldeten. Sie waren also in ihre deutsche Heimat zurückgekehrt!

     Statt im kapitalistischen Westdeutschland hätten sie gut und gern bei uns im sozialistischen Osten wirken können. Aber daraus wurde nichts, weil der ´König` des Rates des Bezirks Rostock, Hans Warnke, mein diesbezügliches Ersuchen mit der Begründung ablehnte: "Diese religiösen Fanatiker wären gefährlich wie alle Christen. Tatsächlich aber waren die Hutterer großzügig. In ihrem Bruderhof gab es auch Schwarze aus Afrika, Juden aus dem israelitischen Kibutzim und Freidenker - so ist es in der Weiterentwicklung geblieben. Der Genosse Hans Warnke war mit mir während der Nazizeit im Zuchthaus Dreibergen gewesen und vor 1933 war er in Mecklenburg der bekannteste Kommunist.

     Die Hutterer haben uns mehrmals in Warin besucht und sie sprachen auf einer SED-Veranstaltung, wozu wir auch zwei fortschrittliche Pfarrer eingeladen hatten. Dann gab es eine lange Fernsehreportage, wodurch in ganz Deutschland bekannt wurde, daß da auf dem Michelshof bei Birnbach eine fromme christliche Kommune wirkte. Diese Tatsache brachte die Reaktion in Aufruhr. Es begann eine zügellose, gehässige Hetze in Birnbach. "Hutis raus!" Bis die Hutterer wieder fliehen mußten, diesmal nach England. Wo schon hutterische Bruderschaften bestanden. Sie haben übrigens eine Dokumentation herausgebracht mit dem Namen Großes Geschichtsbuch der Hutterischen Brüder, in der sie die abscheulichsten Verfolgungen durch Staat und Kirchen aufzeigen.

     Christus hat sich in schärfster Form mit den Heuchlern und Pfaffen auseinandergesetzt, z. B. Mathäus 12, 34: "Ihr Otterngezücht, wie könnt ihr Gutes reden, derweil ihr böse seid?" Mathäus 7, 15: "Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig sind sie aber reißende Wölfe." Mathäus 23, 23-26: "Ihr verblendeten Leiter, weh euch! Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr Mücken seihet und Kamele verschluckt. Ihr verblendeten Leiter, wehe euch! Schriftgelehrte und Pharisäer,ihr Heuchler, die ihr die Becher und Schüsseln auswendig rein haltet, inwendig ist es aber voll Raubes und Fraßes."

     Lese ein jeder das Neue Testament selber. Darin finden wir, daß Christus Gegner der Pfaffen- und Kirchenherrschaft war. UnsereAufgabe ist es, die Blinden sehend und kampfbereit zu machen nach dem Vers der Arbeiter-Marseillaise:

 

"Den Feind, den wir am tiefsten hassen,
der uns umlagert schwarz und dicht,
das ist der Unverstand der Massen,
den nur unseres Geistes Schwert durchbricht.
Ist erst dieses Bollwerk überstiegen,
wer will uns dann noch widerstehen!
Dann werden bald von allen Höh´n
der wahren Freiheit Banner weh´n."

 

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